Thomas Dunn


GLEICHZEITIGKEIT IM KOSMOS

UND

DIE BEFINDLICHKEITEN DES MENSCHEN











Der Autor


Thomas Dunn, Jahrgang 1942, ist Bürger der Stadt Zürich und lebt im Münstertal, Kanton Graubünden.


















Thomas Dunn





Gleichzeitigkeit im Kosmos


und die Befindlichkeiten

des Menschen








Studien über Gleichzeitigkeit

Band 3




IMPRESSUM



© 2021 Copyright by Thomas Dunn


Umschlag, Lektorat, Korrektorat:

Thomas Dunn


Homepage : www.dunn.ch


Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg



ISBN


978-3-347-34422-8 (Paperback)
978-3-347-34423-5 (Hardcover)
978-3-347-34424-2 (e-Book)









INHALT und Untertitel



VORBEMERKUNG...............................................................11


EINLEITUNG..........................................................................13

Die Einzigkeit und das Erleben

Intuition

Das Blockuniversum

Meine Beschäftigung mit diesem Thema bis heute

Unnötige oder nötige Befreiung?

Die Wörter und ihre Bedeutungen

Die Darstellungsform

Die Kapitel

Genus oder Geschlechtsform


WIE ICH AUF GLEICHZEITIGKEIT GEKOMMEN BIN ......................................................................................33

Physik und darüber hinaus

Gleichzeitigkeit ist Grundlage unserer Wahrnehmungen

Wahrnehmungsakte in Momenten

Metaphysik

Und es wird Leben daraus



DER URKNALL ALS SCHÖPFUNGSMYTHOS.......... 45

Moderne Schöpfungsmythen

Die Gleichzeitigkeit ist der Urknall

Alle Geschichten sind in Gleichzeitigkeit verwirklicht

Alte Schöpfungsmythen


WELTENTSTEHUNG KONKRET:

DAS SPIEL DER DINGE UNTEREINANDER................ 55


Das gleichzeitige Netzwerk

Ein wenig Chinesisch

... und doch ist etwas Einziges erwacht


HERKUNFT DES VERSTEHENS..................................... 61

Intelligenz innen und aussen

Die andere Art des Verstehens

Dass es im Bewusstsein sein kann!


WERTE UND MORAL................................................. 67

Auch Moral ist gleichzeitig da

Die Skala der Werte ist gegeben

Das Verhalten mit Sinn

Verwirklichung zu bewegtem Leben

Orientierung an Schönheit

Moral als das Umlenken der Kräfte

Brennholz

INKARNATION ODER:

WIE SICH ZEITLOSES IM LEBEN EINNISTET .... 75


Können wir ein angemessenes Bild vom Menschen gewinnen?

Die ganze Natur ist doppelsinnig

Wahrnehmung wird ichhaft

Individualisierung

Anteilnahme an der Welt

Widerschein ohne Verstehen

Seng Ts'an


GLEICHZEITIGKEIT ALS INNERES........................... . 88

Ich und Licht

Das Ich als Weg


ÜBER DIE NOTWENIGKEIT VON GESTALT UND

WAS SPRACHE BEDEUTET........................................ . 93

Notwendigkeit der kosmischen Gestalt

Wunscherfüllung

Sprache besteht aus Formeln und Abstraktionen

Wie ist die Welt ohne Sprache?

Namenlos


DIE EINE EKSTASE UND DIE MENSCHLICHEN

EKSTASEN ................................................................... 101

Ekstasen überall

Die Welt als eine einzige Ekstase: der Atman in seiner Weltekstase

Gebet Bruder Klaus

Erkennen als Ekstase

Menschliche Ekstatik und Liebestaumel

Erweiterung von Bewusstsein , Hormone und Gifte


WO IST DIE GROSSE ERLÖSUNG?.................... 109

Reinigung des Lichts.

Selbstbesinnung als Stau der Kräfte


STILLSTEHEN INMITTEN DER STRUKTUREN ...... 115

Geistiges Stillstehen

Loslassen

Nichtwahrnehmung

Leere

Sinn der Besinnung

Die Absolution


VOLLZUG DES NICHTORTS ...................................... 123

Transformation von GLEICHZEITIGKEIT in örtliches Geschehen

Das Leben an einem Ort als Verwandlungszauber

Die Illusion von einem Ort




ZUM SCHLUSS ............................................................. 129

Hinter dem Spiegel

Gedicht von Gottfried Keller


ANHANG .................................................................... 133


ÜBER DIE ERWEITERUNG DES HORIZONTS DURCH LEKTÜRE

Dieser und andere Texte

Eine Brücke über alles

Asiatisches

Einzelne Texte als Inspirationsquellen

Noch weiter nach Osten

Advaita

Über Zitate






























VORBEMERKUNG




GLEICHZEITIGKEIT ist eine Tatsache, nicht ein Begriff. Und das Wort steht für eine Tatsache da, die nicht zu begreifen ist.


GLEICHZEITIGKEIT IM KOSMOS bedeutet: Auch wir Menschen sind eine Erscheinung in

dieser gleichzeitigen Zeitlosigkeit.


Weil wir eine Einzelerscheinung sind und nicht das Ganze, sind wir allem gegenübergestellt. Dieses Gegenüber-Gestelltsein kann Probleme schaffen. Denn wir sind einer Wirklichkeit gegenübergestellt, die wir nicht verstehen. Und wir erleben Getrenntheit davon: Zweiheit.


Als ein Teil eines Gesamten, als ein kleines Stück und kleiner Teil, stehen wir etwas Unendlichem gegenüber und erschaffen uns eine Ansicht davon, indem wir unseren Wahrnehmungen eine Form geben. So erschaffen wir uns eine Beziehung zu dieser unendlichen Wirklichkeit.


Wir ahnen immerhin in dieser Gegenüberstellung, dass das, was wir darüber wissen und glauben, nicht die ganze Wirklichkeit ist. Nach wie vor fragen wir uns, warum wir in der Mitte dieser Welt leben, um sie wahrzunehmen.


Geht es um Momente? Und ist es etwas GLEICHZEITIGES, das uns zu denken veranlasst und uns Bilder, Weltbilder, Weltdeutungen erzeugen lässt?


Und ist es so, dass unsere Bilder, Weltbilder, Weltdeutungen in sich zusammenfallen, wenn wir das Widerspiegeln seinlassen?











EINLEITUNG


Ich dachte einmal, dass meine Aufzeichnungen zu „Philosophie“ gehören. Aber angesichts dessen, was heute als Philosophie gilt und angesichts dessen, dass ich eher meditatives Denken pflege oder gar kein Denken, habe ich mich entschlossen, meine Aufzeichnungen in Verbindung mit „Zen“ zu stellen.


Unter „Zen“ können sich die meisten Leute etwas vorstellen, die meisten Leute wissen, was damit ungefähr so erreicht werden soll. Nichtdenken, Nichtwiderspiegeln.


Nicht nur „Zen“, auch das „Dao“ kann ein Hinweis sein. Ach ja, das kennt man: Yin und Yang, und „das Dao kann nicht ausgesprochen werden ....“ Fast alle wissen schon das Wesentliche.


Das Wort GLEICHZEITIGKEIT, das ich verwende, ist handlicher. Es ist anschaulicher, nämlich erscheint GLEICHZEITIGKEIT in der Betrachtung der Welt. Man muss nicht weit suchen. Man hat sie immer gerade vor sich, gegenwärtig.


Wir sollten sie nur nicht auseinander nehmen.


DIE EINZIGKEIT UND DAS ERLEBEN


Aber in unserem Erleben fächert sich das EINZIGE und GLEICHZEITIGE auf, zeigt sich bewegt und wird zu unseren Anschauungen und Erlebnissen.


Wir sehen Bilder davon. Wir sind zwar selber in unserer Gestalt ein Bild inmitten des Ganzen. Dann bilden wir auch noch zusätzlich dazu unsere Wahrnehmungen ab und interpretieren, was wir wahrnehmen und bilden damit unser Bild von der Welt hervor, haben also Meinungen oder Glaubensinhalte.


Die Welt ist eine Einzigkeit.

Einzigkeit ist auch in der Zweiheit.


In dieser nun entstehen die menschlichen Befindlichkeiten. Menschliche Befindlichkeiten sind wechselnd und entstehen durch den Kontakt mit den Dingen, durch den Kontakt mit dem eigenen Körper, durch Reflektieren, Denken, durch die Erzeugung eines Weltbilds.

Die menschlichen Befindlichkeiten sind identisch mit GLEICHZEITIGKEIT, aber die Tatsache, dass ein Mensch ein Teil ist und an einem Ort und zu einer Zeit lebt, bringt mit sich, dass ein Mensch ein ganz anderes Befinden hat als ein kosmisches.


Da ist ein Widerstreit zwischen Einzigkeit und Zweiheit, und so kommen Spannungen zustande, die sich als Kraftwirkungen zeigen auch auf der psychischen Ebene, und dann läuft ein Film ab für den Menschen. Und ein jeder wird so einfach ein Mitspieler im eigenen Film.


In diesem Sinn entstehen Leben, Glauben, Denken, Fühlen, Leiden, Meinen, Irren und zuweilen Verstehen.

In diesem Buch soll aber darauf hingewiesen werden, dass alles auf einmal da ist, damit auch die menschlichen Befindlichkeiten.


Das kann ein Mensch deswegen verstehen, weil er zur Ganzheit (Gleichzeitigkeit) gehört und sie damit sozusagen in sich hat. Und wie lässt sich verstehen? Durch das eigene Selbst und die Momente oder Augenblicke.


Das Selbst, oder ein Moment oder Augenblick, sind nicht beschreibbar.

Insofern geht es in diesem Buch darum, Einzigkeit zu umkreisen.


Zuletzt geht es aber darum, alle Widerspiegelung sein zu lassen.


INTUITION


Auch wenn wir draussen bleiben und nur umkreisen, so können wir doch in einem bestimmten Sinn draussen bleiben und sozusagen unbewusst wissen, was wir umkreisen.


GLEICHZEITIGKEIT bedeutet für den Menschen, dass er eine Geborgenheit in diesem Getümmel findet. Sich selbst wohl, denn das ist die GLEICHZEITIGKEIT.


Eine mühelose Selbstverständlichkeit? Nur Loslassen, Seinlassen?


GLEICHZEITIGKEIT als Wirklichkeit zu erkennen, verlangt von uns eine besondere Art von NICHTVERSTEHEN. Und die Hoffnung ist, dass wir dann mit ihr in Übereinstimmung gelangen.


GLEICHZEITIGKEIT, die „alles auf einmal“ ist, kann jedenfalls nicht durch die Verwendung eines Mittels eingefangen werden. Solche Mittel sind das Denken, das Analysieren, das Vergleichen, Glauben, Meinen.


Darum geht es nie um Denkschritte, nie um Willensakte, sondern um Intuition.


Ich kann mich schon üben und mich vergegenwärtigen. Aber Verstehen ist voraussetzungslos, plötzlich und entsteht wie nichts.


Die Hilfsformel mag auf diesen Weg führen:

Die Entstehung der Welt, ihre Entwicklung und ihr Ende finden gleichzeitig statt.“



DAS BLOCKUNIVERSUM


Es wurde in der theoretischen Physik schon die Hypothese aufgestellt, dass es (in Wirklichkeit!) ein 4-dimensionales Universum gibt und dass in diesem 4-dimensionalen Universum keine Zeit fliesst. Diese Vorstellung von Universum heisst „Blockuniversum“.


Da könnte die theoretische Physik also helfen, die GLEICHZEITIGKEIT zu erklären, meint man. Es besteht aber ein entscheidender Unterschied zwischen solchen Denkinhalten und einer vollzogenen Erfahrung.


Für meinen Geschmack ist das Wort „Blockuniversum“, auch wenn es mit der Zeitvorstellung aufräumt, weit weg von einer privaten Erleuchtung. Was wir brauchen, ist die Überwindung der Zweiheit zwischen uns und der Realität. Dabei spielt es keine Rolle, welche Vorstellung wir überwinden, ob es etwa ein zeitloses Blockuniversum ist oder ein entfesseltes Triebuniversum.


Wer GLEICHZEITIGKEIT verstehen will, möge besser von den Bewegungen ausgehen, die in der Welt sind, von den Spannungen, die vorliegen, und der Ausstrahlung, die in jedem Ding zu spüren ist und erst recht in lebenden Wesen.


MEINE BESCHÄFTIGUNG MIT DIESEM THEMA BIS HEUTE


Gleichzeitigkeit von allem“ beschäftigt mich schon seit längerer Zeit. Es sind bereits zwei Bände darüber erschienen: „Gleichzeitigkeit, immer“ und „Ohne Gegenüber in der Gleichzeitigkeit“.

Im hier vorliegenden dritten Band mit Titel:„Die Gleichzeitigkeit im Kosmos und die Befindlichkeiten des Menschen“ geht es darum, in welchem Spannungsverhältnis ein menschliches Leben zur Ursache davon, zur Gleichzeitigkeit, steht.

Menschen sind in ihrem Leben, und in allem, was sie tun und denken, eine Antwort auf GLEICHZEITIGKEIT, sind also „drin“.

Unsere Befindlichkeiten werden davon genährt, dass wir Erfahrungen inmitten dieses Kosmos machen, und davon, wie wir diese umsetzen. Das ist unser Widerspiegeln.

Wie aus einem Einzigen die Zweiheit entstehen kann, ist nicht zu ergründen; ich denke, es sind Spielformen. Es ist ein Spiel entstanden innerhalb des EINZIGEN. Und in diesem Spiel spielen wir mit, im Sinne von: Wir bestehen daraus.

Ich erwähne im Folgenden ein paar einzelne Spielformen, wie sie in unseren Gedanken vorkommen können, der Sinn davon ist aber, GLEICHZEITIGKEIT zu umkreisen. Keineswegs geht es darum, die Zweiheit auf ihre ursprüngliche Einzigkeit zurück zu führen und die Welt auf einen Nullpunkt zu reduzieren.

Wir können der Welt so begegnen, wie sie ist. Sie ist ein Wunderwerk, und es ist nicht nötig, dass sie sich auflöst und zu Himmel wird.

Und auch unseren eigenen Befindlichkeiten können wir begegnen, wie sie sind. Wir umkreisen GLEICHZEITIGKEIT auch innerlich, auch in unseren Widerspiegelungen, den einzelnen Stimmungen, Körpergefühlen, Seelenzuständen, Geisteszuständen.

Der Titel „Die Gleichzeitigkeit im Kosmos und die Befindlichkeiten des Menschen“ nennt zwei Aspekte des Gleichen. Der Titel will nicht zwei Dinge nennen, die sich gegenüberstehen.

Denn Befindlichkeiten des Menschen sind nicht getrennt vom Ganzen. Bei verschiedenen Bewusstheiten, Erfahrungen und Lebensphasen ist die gleichzeitige Identität gegeben.

Es kann sein, dass die alten Zenmeister dasselbe lehren wollten. Allerdings habe ich in der Zenliteratur solche direkten Zusammenhänge nie gelesen. Insbesondere habe ich das Wort GLEICHZEITIGKEIT nirgends gefunden.



UNNÖTIGE ODER NÖTIGE BEFREIUNG?

Die Gedanken der Zenmeister kreisten vielleicht zu sehr um die buddhistische Vorstellung von einer Befreiung von der Welt. Befreiung bedeutete: Man wollte den kreativen, gestaltenden Kräften, die im Kosmos wirken, nicht mehr unterworfen sein.

Ob bei diesem Denken wohl die Vorstellung enthalten war, dass der Mensch anders als der Kosmos ist? dass er besser ist?

Die Gedanken im Buddhismus wie auch im Christentum von damals waren dualistisch, wie mir scheint. Es wurden Gegensätze gesehen. So gab es den Gegensatz zwischen dem unvollkommenem und dem vollkommenen Zustand. Der Mensch in seinem Jetztzustand wurde grundsätzlich als fehlerhaft oder sündig angesehen.

In den semitischen Religionen ist das noch deutlicher als im Osten. Der semitische Gott existiert ja nur aus dem Kontrast heraus, dass er besser ist als der Mensch, der vergleichsweise minderwertig ist. Immer wieder wird der Mensch als Sünder, Abtrünniger oder Verräter hingestellt, der aus seiner Schlechtigkeit heraus zur ewigen Verdammnis hin geht.

Im Buddhismus bestand die Verdammnis darin, wiedergeboren zu werden. Ein fehlerhafter Mensch gerät ins Rad der ewigen Wiedergeburt. Und mit jeder neuen Existenz, die er erhält, macht er wieder alles falsch, gerät in Verirrung, Befangenheit, und so geht es immer weiter. Das heisst auf indisch Samsara.

Das ist der Gang der Welt! Und die Inder wollten ihn anhalten? durch Yoga, durch Meditation? Ging es ihnen vielleicht um Gleichzeitigkeit oder Allzeitigkeit?

Gleichzeitigkeit ist die JETZTZEIT. Dann hätten die Inder im gegenwärtigen Moment sämtliche Vorstellungen von einem Jenseits, von einem Nirwana, von einem Paradies aufgegeben? Wie auch immer: GLEICHZEITIGKEIT ist nicht Verdammnis, wenn sie sich zu „Welt“ macht. Und eine Wiedergeburt ist kein Makel, auch wenn dabei begrenzte, geistig umnachtete Lebewesen entstehen.

GLEICHZEITIGKEIT zu verstehen kann die Befindlichkeit des Menschen verbessern. Aber dass damit ein Mensch aus der Welt heraustritt, um wie eine Rakete in den Himmel aufzufahren, kann vielleicht in einzelnen Momenten gelingen. Doch solange der Körper lebt, wird es wohl zu einer Rückkehr ins Körperleben kommen.

Die Entstehung der Welt, ihre Entwicklung und ihr Ende finden gleichzeitig statt“ gilt hier als Formel, und diese enthält sowohl die begrenzte Existenz (so wie „Mensch als Sünder“) als auch die unbegrenzte Nichtexistenz der ganzen Welt.

DIE WÖRTER UND IHRE BEDEUTUNGEN

Da ich mit sprachlichen Formeln (Wörtern) arbeite, muss ich noch kurz erklären, welchen Sinn ich diesen Wörtern beimesse.

Das Wort GLEICHZEITIGKEIT enthält in sich einen Vergleich mit Zeitlichem. Es scheint mir ein relativ guter Vergleich zu sein mit dem, was gemeint ist. Das Wort ist ein wenig polemisch und dialektisch, weil es einen Gegensatz zu unserem Zeitempfinden enthält. Das Wort umfasst die Spannung zwischen Zeit und Nichtzeit, Vorhandensein und Nichtvorhandensein. Diese Spannung möchte ich ausnützen. Als Schüler der Gleichzeitigkeit kann ich einen Geisteszustand finden, in welchem durch mich hintereinander erlebte Ereignisse so wirken, als wären sie nicht hintereinander gekommen.

Umgekehrt bedeutet das Wort für mich „der Punkt, an dem das Widerspiegeln aufhört“, schon aufgehört hat und gar nie begonnen hat.

Ausser dem Wort GLEICHZEITIGKEIT kommt im Folgenden auch das bekannte Wort SELBST vor, ferner auch das Wort WESEN. Es geht nicht um etwas anderes dabei, sondern immer um das Eine, das aber in verschiedene Zusammenhänge gestellt wird.

GLEICHZEITIGKEIT als Wort ist mit dem Bild von Weite und unendlichem Raum assoziierbar. Das Wort WESEN hat eher einen punktuellen Charakter.

GLEICHZEITIGKEIT dient dazu, um das Band der zeitlichen Abläufe zu charakterisieren, nämlich als nicht-vorhanden zu charakterisieren. Das WESEN als Wort ist besser geeignet, um bestehende Dinge zu durchschauen auf ihre Formlosigkeit oder ihr Zentrum hin.

(Nebenbei: Diese Art von Wörtern bezeichnen Universalien, hier im Sinn von allgemeingültigen Gegebenheiten. Solche Bezeichnungen werden im allgemeinen nicht hinterfragt, sondern akzeptiert. So ist es auch bei der einfachen Feststellung „Ich bin“. Sobald man das einmal festgestellt hat, wird man es als erwiesen betrachten und nicht hinterfragen.)

Ich benütze das Wort WESEN hier hauptsächlich in einem intimen, eher ichhaften Sinn. WESEN ist damit so etwas wie die mystische Gestalt des Menschen. Oder der Kern. Oft brauchen die Leute den Ausdruck „Wesenskern“ oder erneut „das Selbst“.

Das Wort „Ich“ ist das wohl direkteste Wort, das es gibt. Die Evidenz in sich selbst. Ich nehme an, dass das „Ich“ die aktive, weltzugewandte Form des eigenen WESENS ist. Während das Wesen ausserdem auch eine weltabgewandte Form haben kann, in der es uns oft weit weg zu sein scheint, als wäre es eingeschlafen.

DIE DARSTELLUNGSFORM


Einem Thema wie GLEICHZEITIGKEIT von allem ist durch Poesie am besten beizukommen. Ob klare Sätze ohne Reim und Rhythmus auch als Poesie gelten können?

In Frage kommt auch das Predigen. Der Prediger nimmt einen Einfall und walzt ihn aus, bis er ihn in einen allgemein gültigen Zusammenhang gestellt hat.

In der Antike, wenn man an Platon, die Upanischaden, Zhuang Zhi oder Liä Dsi denkt, wurden die Gedanken oft in Form von Zwiesprachen entwickelt. Beliebt waren auch Anekdoten.


Meine Darstellung von GLEICHZEITIGKEIT ist demgegenüber eher eine Kritik an der menschlichen Wahrnehmung an und für sich, an der Begriffsbildung, an der Fixierung auf Deutungen und am Glauben an die Richtigkeit von all dem.


Der Mensch sieht noch immer nicht, dass er inmitten von GLEICHZEITIGKEIT lebt und mit seinen beschränkten Mitteln nur in eine beschränkte Relation zur Welt tritt. Menschliche Erzeugnisse müssen also beschränkt sein. Die ganze Wahrheit ist unerfassbar mit den Mitteln eines menschlichen Körpers. Wer das weiss, kann offen werden für Tatsachen, die nicht von uns gemacht werden.


Es genügt nicht, wenn sich der Mensch an das klammert, was für ihn denkbar, glaubbar, fühlbar ist.


GLEICHZEITIGKEIT ist identisch mit Nichttun unsererseits. Es geht nicht um Handlungen, es wird kein Gebäude errichtet, kein Nest gebaut. Insofern ist also jede Wahrnehmung zu unterlassen. Denn alles, was wir wahrnehmen, ist ein Tun unsererseits.


DAS PROGRAMM IN DEN KAPITELN

Die einzelnen Kapitel enthalten nicht wirklich Verschiedenes.

Im nächsten Kapitel erzähle ich, wie ich auf GLEICHZEITIGKEIT gekommen bin. Dann kommen verschiedene Vorstellungen von der Weltentstehung zur Sprache. Es existieren da wissenschaftliche und religiöse Mythen. Wir fragen uns aber auch, ob wir bei der Weltentstehung nicht im jetzigen Moment gerade dabei sind.


Alle Dinge bilden ein gleichzeitiges Sammelsurium und gehören eigentlich zusammen. Nun sind wir als Menschen mit unserem Körper auch getrennt vom Ganzen. Wir sind ein Ding unter Dingen, und die Dinge spielen ein Spiel miteinander. Für uns als Menschen kommt in dieser Situation die Wahrnehmung zustande, welche ein Widerspiegeln ist.


Das ganze Universum wird als intelligent und energiegeladen bezeichnet. Auch wir haben einen Teil dieser Intelligenz mitbekommen und verkörpern ihn, und das bringt mit sich, dass wir von der Welt, der wir uns gegenübergestellt haben, etwas verstehen können. Darum können wir Naturgesetze und geistige Gesetze erkennen.


Zwar sind wir Spiegel, bestehen aus verschiedenen Spiegeln, daher ist unsere Antwort auf das Weltganze ebenfalls verschieden. Eine erste Antwort ist das körperliche Leben, das wir haben, dann gibt es verschiedene Funktionen des Körperlebens, mit denen wir uns bewegen und verändern. Weitere Spiegelungen haben wir im Seelenleben in den Instinkten, im Denken, Verstehen, auch im Bewusstsein.


Aber nicht nur das ist gegeben, sondern wir spiegeln auch Werte, verwirklichen Werte. Darum gibt es ein Kapitel über Moral. Moral bedarf allerdings der Verwirklichung durch den Menschen.


Ob ein Mensch höhere Werte überhaupt empfängt und wie er sie umsetzt, wird zu diskutieren sein.


In einem anderen Kapitel geht es Inkarnation. Sehr weit gefasst, könnte man alles Leben als Inkarnation des „Absoluten“ bezeichnen, und bei den nicht lebenden Dingen könnte man von „Materialisation des Absoluten“ sprechen.


Beide Phänomene können uns darauf hinweisen, dass alle Vorgänge auf dieser Welt von einem gleichzeitigen Bewusstsein begleitet werden. Das gesamte Geschehen hat eine Intelligenz in sich. Davon steht dem Menschen nur wenig zur autonomen Verfügung. Aber immerhin.


Ob es wohl einen verborgenen Sinn hat, dass sich das WESEN dieser Welt in einem Menschenleben einnistet und sich damit durch diesen Menschen eine Sicht auf dessen Leben und Erleben verschafft?


Doch es geht nicht darum, alle Fragen zu beantworten. Nie ist zu vergessen, dass es in diesem Buch darum geht, dass wir unser Denken und unsere begrifflichen Vorstellungen aufgeben sollten.


So kommen wir einerseits in den absoluten Bereich hinein, der nicht besprochen werden kann. Aber in diesem Sinn und Geist schauen wir uns die menschliche Denkfiguren an und sprechen von menschlichen Fähigkeiten und Befindlichkeiten.


Das Buch hat einen praktischen Zweck: Es soll die Gefangenschaft in Denken zeigen und darüber hinaus führen.


Weil der Mensch das WESEN der ganzen Welt in sich hat, kann ein Mensch die Zweiheit überwinden. Er kann aus dem Denken und der Widerspiegelung von Dingen heraus treten.


Um ein Machen und Herstellen geht es dabei nicht. Eher um Nichttun, Loslassen, Aufhören, Unterlassen.


Im Hinblick auf das Machen und Erleben gibt es dann ein Kapitel über Ekstasen und jene speziellen Erregungen, in welche sich viele steigern, um ihre Grenzen zu übersteigen.


Doch es bleibt dabei, dass wir in diesem Buch eher nach Alternativen zu Ekstasen suchen. Nirwana z.B. ist keine Ekstase. Identität auch nicht.


Was Sinn hat, wird sich wohl eher durch Selbstbesinnung finden lassen. Selbstbesinnung kann zur Übereinstimmung mit dem Kosmos führen oder auch zur Übereinstimmung mit der Natur, die uns umgibt und in der wir die ganze Realität antreffen.


DEUTSCH ALS MÄNNLICHE SPRACHE


Auf Deutsch ist es üblich, die männliche Form für alle Menschen zu nehmen. Es heisst „der“ Mensch und nicht „die“ Mensch oder „das“ Mensch.


Und so nehme ich auch die männliche Form, wo etwa „jeder“, „einer“, „man“ „der Einzelne“ usw. vorkommt.


Englisch ist in dieser Hinsicht neutraler.















WIE ICH AUF GLEICHZEITIGKEIT

GEKOMMEN BIN



PHYSIK UND DARÜBER HINAUS


Natürlich bin ich durch sie selbst darauf gekommen: die GLEICHZEITIGKEIT in mir. Aber der Anlass waren Vorträge von Physikprofessoren wie Hans-Peter Dürr, Anton Zeilinger und anderen.


Soweit ich diese Vorträge auf YOUTUBE verstanden habe, ist es in der neuen Physik so, dass durch Messungen erst ein Objekt erzeugt wird oder dass es zwischen zwei Objekten je nachdem nichts gibt an Substanz oder dass es eine polare Beziehung von Teilchen zueinander braucht, um überhaupt von einer Realität sprechen zu können.


Wobei das, was als real gilt, ausserdem von einer menschlichen Interpretation abhängig ist.


Ob es in groben Zügen stimmt, was ich soeben geschrieben habe, oder ob ich alles falsch verstanden habe, ist nicht so wichtig. Ich wollte nur mitteilen, dass ich aus diesem Anlass auf GLEICHZEITIGKEIT gestossen bin.



GLEICHZEITIGKEIT IST GRUNDLAGE UNSERER WAHRNEHMUNGEN


Ich bin wegen den erwähnten Vorträgen auf die Idee gekommen, dass bei all diesem Forschen und Messen, sowie auch bei den Ergebnissen, es eigentlich um etwas GLEICHZEITIGES geht, obwohl das niemand so erwähnt hat. Je nach dem spielt ja der Raum und die Zeit bei einigen der gefundenen Fakten keine Rolle mehr. Ausserdem werden Ergebnisse bei den Experimenten durch menschliches Tun erzielt, so etwa, wenn aus einer Wellenbewegung „materielle“ Teilchen gemacht werden. Und da gibt es auch die Befunde, bei denen zwei Teilchen auf unbestimmte Distanz miteinander korrespondieren als wären sie gleich. (Das Stichwort dazu ist „Nichtlokalität“)


Nun, schön:

Aber mir schien es nicht nur im Ergebnis des physikalischen Experiments Anzeichen von GLEICHZEITIGKEIT zu geben, sondern wie schon angedeutet auch im menschlichen Verständnis dafür: in der Deutung. Bereits das Hervorrufen von Ergebnissen durch den Messvorgang zeigt eine relative Beziehung; dasselbe passiert aber auch im Vorgang, bei welchem ein objektives Faktum zu einer subjektiven Wahrnehmung wird. Das nennt man Verstehen.


Aus diesem Anlass ist mir aufgegangen, dass so immer eine Beziehung zwischen menschlicher Wahrnehmung und dem Wahrgenommenen besteht: Immer geht es bei der Objektivierung um ein Machen, Deuten, Abbilden.


Wer das versteht, wird auch einsehen, dass es auf einer dualistischen Relation besteht, was heisst: Es geht um UNSERE Beziehung zur Welt. Was wir verstehen, beruht auf unserer Beziehung zur Welt.


Und gerade deswegen ist der Einfall von der „Gleichzeitigkeit von allem“ aktuell und interessant. Was ich hier diesem Buch als „die“ GLEICHZEITIGKEIT bezeichne, ist die Matrix von all diesen Vorgängen. Was wir dabei entdecken, ist eine zeitlose Nichtsubstanz, in der wir sind, aber mit der wir umgehen durch unsere Wahrnehmung, und dann entsteht durch unsere Wahrnehmung (für uns) eine Welt in begrifflicher und substanzieller Form.


In diesem Buch gehen wir dem nach, was REALITÄT ist. Wir untersuchen unter anderem auch, wie weit eine Objektivierung wirklich im Objekt begründet liegt, oder wie weit eine Objektivierung auf subjektiver Einbildung beruht.


Normalerweise geniessen „objektive“ Feststellungen eine unangefochtene Glaubwürdigkeit, und die subjektive Seite wird weggelassen.


Die Korrelation mit einem wahrnehmenden, denkenden Subjekt ist aber wesentlich für die Entstehung von Realität. So etwa kann nie eine Sache objektiv richtig sein, ohne dass sie subjektiv für richtig gehalten wird. Immer gibt es eine gleichzeitige Übereinstimmung von Subjekt und Objekt, dann, wenn ein Objekt da ist.


Wenn alle Realität von unseren Erkennen oder Wahrnehmen abhängig ist, wie können wir dann den Wert dieser Realität einschätzen?


Es muss etwas geben, welches über jeder Wahrnehmung und über Subjekt und Objekt steht. Da ist ein Rahmen, in welchem eine Wahrnehmung zur einer Wahrnehmung werden kann. Und da ist auch eine Grundlage dafür da, dass Menschen überhaupt Wahrnehmungen haben können, und dass sie die existentiellen Voraussetzungen dafür haben, Wahrnehmungen zu machen.


GLEICHZEITIGKEIT ist hier das Wort, das passt.


In dieser Auffassung ist GLEICHZEITIGKEIT eine Art „Matrix“, aus der sowohl unsere Existenz, unsere Intelligenz, wie auch der Stoff (Materie) entsteht. Und dann sind wir die Leute, die glauben, dass wir sie angemessen erkennen und deuten können.


Mir scheint aber, dass wir eine Realität erzeugen. Wir sind ständig mit einem Gegenüber konfrontiert. Und meinen, dass unsere Deutung davon alles sei.


Wir verstehen nicht, dass wir in einer Spannung drin leben, die ZWEIHEIT heisst, und welche uns ein Leben lang veranlasst, ein Gegenüber zu haben und uns zwingt, Bilder von diesem Gegenüber zu erschaffen.


WAHRNEHMUNGSAKTE IN MOMENTEN


Wahrnehmung ist das Zusammenkommen von zwei Dingen, die vorher scheinbar voneinander getrennt existiert haben: Wiederherstellung von Gleichzeitigkeit..


Geht man nun sozusagen mikroskopisch auf einen einzelnen Akt von Wahrnehmung ein, sieht man, dass in einem „Moment der Wahrnehmung“ die Zeit dahin fällt. In einem einzelnen Moment wird die Spaltung von Subjekt und Objekt aufgehoben.


Demnach ist GLEICHZEITIGKEIT in jedem Moment zu bemerken, wenn auch nicht zu verstehen. Und wir können durch unsere momentanen Wahrnehmungen die Welt nicht anhalten. Es bleibt auf die Dauer so, dass das Subjekt „dualistisch“ der Welt gegenüber steht. Immerhin wird die Beziehung zwischen Subjekt und den Objekten auf diese Weise auch neu aktualisiert.


Die momentane Vereinigung in einem Wahrnehmungsakt bleibt nicht bestehen, gleich darauf werden Subjekt und Objekt wieder in eine leicht erneuerte Zweiheit entlassen.


In spiritueller Hinsicht muss uns das nicht stören, denn es geht um „weltliche“ Vorgänge dabei. Wir sollten daran denken, dass das, was gleichzeitig ist, nicht gemessen oder verglichen werden kann, denn es ist begrifflos und zeitlos.


Und so ist es dann auch unwesentlich, ob ein guter Moment, z.B. ein meditativer Moment, kurz oder lang gedauert hat. Wir können es eigentlich gar nicht sagen. Und wenn eine Drittperson mit einer Stoppuhr sagt: Kaum eine Sekunde hat es gedauert, so findet das auf der „weltlichen“ Ebene der Wahrnehmung statt. Der Wahrnehmende hingegen könnte sagen: Nein, da ist Unendlichkeit.


METAPHYSIK


Wir sind ausgehend von physikalischen Wahrnehmungen schon recht weit in Metaphysik hinein gelangt.


Es gehört zu den menschlichen Wundern, dass es nicht nur Physiker, sondern auch Metaphysiker gibt. Und dabei ist der wahre Metaphysiker imstande, über das normale Wahrnehmen hinaus zu gelangen. Wohin? Nun: Das Zeitlose und Gestaltlose ist dem Metaphysiker das Liebste und er fühlt sich davon geistig ernährt.


So können sich Befindlichkeiten ändern. Was da Metaphysik genannt wird, kann man auch anders nennen: Es ist ein Absturz ins Selbst, ein Absturz in die Nichttätigkeit, die Nichtreflexion, die Nichtwahrnehmung.


Alle gehen davon aus, dass solche aussergewöhnliche Befindlichkeiten selten sind. Wer GLEICHZEITIGKEIT kennt und sie als wirklich gelten lässt, wird wissen, dass solche aussergewöhnliche Geisteszustände überhaupt nicht selten sind, sondern dauernd im Unbewussten sind. Nur ab und zu wirkt das ein wenig bis ins Bewusstsein hinein.


UND ES WIRD LEBEN DARAUS


GLEICHZEITIGKEIT als solche könnte man als nüchtern, eiskalt und lebensfeindlich empfinden. Die Leute meinen oft, dass etwas Zeitloses auch indifferent, gleichgültig sein müsse.


Die Welt in ihrer Existenz ist der Gegenbeweis. Alles, was es gibt, hat so etwas wie eine Substanz oder eine Art von Geist. Und, wie wir noch sehen werden, ist in der Menschenwelt auch Moral („das moralische Gesetz“) anwesend.


Natürlich ist die Dynamik in der Welt eine Art von Friedlosigkeit. In dieser Dynamik ist aber sie selbst: die GLEICHZEITIGKEIT, das Unfassliche. Und wenn sie sich still hielte, wäre nichts da.


Natürlich möchten wir, dass alles, was uns begegnet, nett ist, erfreulich und nützlich, nicht schmerzlich. Oft ist es schwierig, bewegt zu werden, betroffen zu werden, auf- und niederzugehen.

Wir erfahren auch Grausames, Ungerechtes und denken, dass in all diesem Weltgeschehen nichts als Gleichgültigkeit am Werk ist. Und in der Natur sehen wir vielleicht auch nur das Fressen und Gefressenwerden.


Und so schwankt der Mensch bei seinen Betrachtungen der Welt und entwickelt verschiedene Befindlichkeiten. Und der Mensch reagiert auf Grund seiner inneren Lebensgier und oft in Abwehr von Bedrohungen. Einige unter uns stellen sich kämpferisch der Realität gegenüber, um diese zu ändern und zu bessern. Und mein Anliegen ist es, unter die Oberflächen zu schauen, um deren Wurzeln zu finden.


Mal so, mal anders wird in GLEICHZEITIGKEIT eine menschliche Lebensgeschichte hervorgebildet. Diese Lebensgeschichte ist in GLEICHZEITIGKEIT enthalten, ist identisch damit, alle Reaktionen sind auf die gleiche Quelle zurück zu führen. Alles, was wir wahrnehmen, ist das jetzt Anwesende, wir sehen GLEICHZEITIGKEIT, sie ist in unseren Wahrnehmungen, sie entfaltet sich in unseren Absichten, wie auch allgemein im Funktionieren unseres Verstands, im Erleben des Lebens, in den Fantasien, Freuden, Lieben, Kreationen.


Die ganze Welt ist eine Darstellung: stets gleichzeitig und vollwertig, allerdings mit Widersprüchen zwischen Gut und Böse, Schön und Hässlich.


Und so sollten wir uns besinnen und uns nicht stören lassen von der Tatsache, dass wir eine Realität haben. Jetzt ist es so, dass es für uns eine Realität gibt, dass diese Realität so aussieht, wie wir sie sehen, dass es Leben gibt in Pflanzen, Tieren, Wäldern und Feldern, Mineralien, organischen Substanzen.


Die Vorstellung, dass eine Art von WELTICH in Bergen, Tälern , Flüssen, Gesteinen, Pflanzen Tieren sein muss, ist nicht neu. Es ist eine natürliche Vorstellung, die Menschen in der Frühzeit schon hatten und die teilweise in der Romantik wieder aufgenommen wurde.


Insofern bedeutet „Gleichzeitigkeit von allem“, dass alles eine einzige Bedeutung hat oder überhaupt keine, und dass unsere Wahrnehmungen eben auch diesen Sinn haben, bzw. keinen. Aber es wird Leben daraus: Wir können uns freuen, dass unsere Umgebung vielfältig und abwechslungsreich ist.























DER URKNALL ALS SCHÖPFUNGSMYTHOS


MODERNE SCHÖPFUNGSMYTHEN


Heute kennt man ein Phänomen in der Elementarphysik, welches „Unschärferelation“ genannt wird. Diese „Unschärferelation“ könnte eine Begründung dafür abgeben, dass eine Art Keimbildung inmitten eines uniformen „Allerweltsstoffs“ stattgefunden hat. Aus einem solchen Keim, welcher DIE ZWEIHEIT begründete, hätte sich möglicherweise eine Kette von Ereignissen ergeben, Kräfte wären so geweckt worden und Bewegungen hätten begonnen: Es wäre dann explosionsartig weiter gegangen. In der menschlichen Vorstellung muss so etwas ein Knall sein: der Urknall.


Wir haben einen Mythos vor uns, der auf der menschlichen Wahrnehmung aufbaut. Da man jetzt wahrnimmt, versucht der Mensch nun, das Wahrgenommene nach dem Ursache-Wirkungsprinzip zurückzuführen auf den Anfang davon.

Gemäss dieser Denkweise muss die Wahrheit mathematisch erfassbar sein, ich weiss nicht recht, ob die Eins oder die Null bevorzugt wird.


Aber dieser Mythos vom Urknall ist unvollständig. Denn er erzählt nicht, wie es zur ursprünglichen Störung der Gleichmässigkeit gekommen ist. Und der Mythos erklärt auch nicht, wie es zur menschlichen Denkfähigkeit und Wahrnehmungsfähigkeit gekommen ist, mit welcher wir jetzt die weite Welt wahrnehmen und sie zugleich auf ihren Nullpunkt reduzieren von anno dazumal.


Immerhin sagt die Urknalltheorie, dass der Kosmos aus einem Einzigen hervorgegangen ist und daher auch jetzt eine einzige Zusammengehörigkeit bildet, wenn auch in unserer Anschauung Raum und Zeit dazwischen kommen.


Dieser Hinweis auf Ganzheit und Einzigkeit ist jedoch im Urknallmythos einseitig und beachtet nur das, was berechnet und gemessen werden kann, nicht aber das, was sich jeder Messung und Rückrechnung entzieht. Und es entzieht sich uns leider sozusagen alles. Alles, was Sinn hat. Das ist das Nicht-Wahrnehmbare.


Dass es das gibt, kann ein Mensch verstehen, wenn er merkt, dass er sich ständig in der Auseinandersetzung mit einem Gegenüber befindet. Der Mensch ist ständig in Aktion. Von da her kommt all das Rechnen, Fantasieren, Deuten, Glauben.

Und so rechnet er, fantasiert, deutet und glaubt, dass die Welt seinen Deutungen, Fantasien und Rechnungen entspricht.


Statt an die Richtigkeit der Deutungen zu glauben, und durch Reaktionen Weltbilder zu erschaffen, könnte sich der Mensch auch besinnen auf den Zustand der Nicht-Zweiheit, der Nicht-Berührung, oder sich besinnen auf den SINN des Berührtwerdens, den SINN des Gegenüberstehens. Da gibt es Erfahrungen, die über der Intelligenz stehen.


Wir können uns fragen, warum wir überhaupt eine Intelligenz haben und wo die herkommt. Dass wir überhaupt am Leben sind und Dinge wahrnehmen, ist jedenfalls keine menschliche Eigenleistung, sondern eher eine gleichzeitige Erscheinung von sowohl diesem wie jenem.


DIE GLEICHZEITIGKEIT IST DER URKNALL


In einer ganzheitlichen Sicht auf unsere Intelligenz und die einzelnen Aktionen dieser Intelligenz, wird sofort klar, dass der Mythos vom Urknall einseitig ist. Der Mythos ist einseitig, weil er die Unendlichkeit nicht enthält. Für mich ist nicht wichtig, ob so etwas wie der Urknall mathematisch nachweisbar ist. GLEICHZEITIGKEIT enthält alle möglichen Formen, die jetzt existieren und auch jene, die früher existiert haben, und sollten andere Formen entstehen (Zukunft) wird sich nichts am Sinn des Ganzen ändern.


Dabei ist alles, was wir „eine Welt“ nennen, ein Gang von einer Unendlichkeit zur nächsten. Dazwischen steht der Mensch mit seiner Wahrnehmung (jetzt!), und nun geht es um die Sehnsucht, wieder ganz zu werden, das Gegenüber aufzuarbeiten und sich selber in den SINN einzubetten, den das alles hat.


Es soll nun jene Dimension hinzukommen, die den Menschen ganz werden lässt und dem Weltall seine heilige Würde zurückgibt.

Und wenn wir noch vom Urknall sprechen, so dann bitte nur in dem Sinn, dass er zeitlos ist und im übrigen daraus heraus weitere Zeitlosigkeit, also GANZHEIT hervorgeht.


Dann findet der Urknall jetzt statt, immer noch. GLEICHZEITIGKEIT VON ALLEM ist der ständige Urknall. So dargestellt, merken wir ein wenig, dass das Geschehen einen SINN hat, der nicht in der Veränderung der Formen liegt.


Die Welt entsteht ständig neu, von Moment zu Moment. Das erinnert uns tatsächlich an etwas Explodierendes. Ohne Zweifel ist eine Kreation im Gang, eine Darstellung.


Und es fällt uns sehr schwer zu verstehen, dass es in all diese Bewegtheit doch etwa STILLES ist, das sich verändert. Wenn wir GLEICHZEITIGKEIT als metaphysische Tatsache akzeptiert haben, sehen wir immer noch, wie sich unser Leben wie auch alles Geschehen ständig vorwärts bewegt und nicht rückwärts.


Ich weiss nicht, wie dieses Phänomen entsteht und wie es sich in unseren Wahrnehmungen festsetzen konnte. Ausserhalb unserer Wahrnehmungen, in der Stille, gibt es dieses Phänomen nicht.


ALLE GESCHICHTEN SIND IN GLEICHZEITIGKEIT VERWIRKLICHT


Wir haben die GLEICHZEITIGKEIT als das Grundprinzip über der Zeit erkannt, und damit ist EIN GLEICHES in jeder Zeit und jeder Form gemeint.


GLEICHZEITIGKEIT kann aber nur in der Jetztzeit sein. Es gibt immer nur die Jetztzeit dafür. Und davon muss man scharf unterscheiden, was wir durch unsere Forschungen über die Vergangenheit entdecken. Es sind Deutungen, die in der Jetztzeit stattfinden, aber Deutungen über Zustände, die ihre Aktualität eingebüsst haben, und diese Deutungen sind abhängig von der Fähigkeiten des Menschen, jetzt zu denken und zu fantasieren.


Was da an Weltentstehungsgeschichten und Vergangenheitsdeutungen vorkommt, kann Feststellungen enthalten, die bis heute nachwirken und damit in unserer jetzigen Gegenwart noch aktuell sind. Wer es so sieht, kann sein Denken besser mit dem gleichzeitigen SINN verbinden.


Im übrigen sonst ist der Umgang mit vergangenen Fakten ganz ähnlich ist wie der Umgang mit Trauminhalten.


But are not all facts dreams as soon as we put them behind us?” Emily Dickinson


Weltentstehungsmythen ,auch Deutungen von geschichtlichen Fakten, sind erzählerische Bemühungen. Das Motiv dafür ist immer: Man möchte endlich gesichertes Wissen, möchte wissen, wie man entstanden ist, möchte sich über die Welt erheben in der Hoffnung, diese Welt durch Wissen beherrschen zu können.


Doch bis jetzt sind sämtliche Anfangsgeschichten, Endvorstellungen, Geister- und Spukgeschichten, Zielvorstellungen, Gottesvorstellungen, und wissenschaftliche Erkenntnisse recht unvollständig und steuern einer geistigen Entwicklung des Menschen zu seiner GANZWERDUNG wenig bei.


Für die GANZWERDUNG ist die Tatsache wichtiger, dass in einem einzigen Moment die gesamte Evolution, die Entwicklung meiner DNS, die Geschichte der Urgrosseltern und Urururvorfahren vergessen sein kann. Was sollen vergangene Fakten beweisen für mich und meine jetzige Existenz?


Zeit ist zusammen mit Nichtzeit entstanden. Wir können nicht sagen, dass die Ausdehnung des Universums eine grössere Bedeutung hat als ein Punkt. Und es braucht nicht viel Phantasie, um sich zu denken, dass auch jetzt jenseits der Ausdehnung des Universums noch immer dieser eine Punkt existiert, dieser eine Punkt als Quelle, in dem es keine Zeit gibt, und der NIE EINE ZEIT kannte.


ALTE SCHÖPFUNGSMYTHEN


Es gibt andere Mythen als die vom Urknall. Sehr alt ist der biblische Schöpfungsmythos. Er etabliert Gott. Gott ist der Gegenpart, der Mensch wollte sich Gott als Inbegriff eines „Gegenübers“ erschaffen. Warum nicht? Im Grunde genommen ist jener alte Schöpfungsmythos besser als der vom Urknall. Denn das alte Weltbild hat die verborgene spirituelle Seite der Welt gekannt. So war jener Mythos zwar dualistisch und theatralisch dargestellt, aber durch seine Zweiseitigkeit viel näher bei der Ganzheit.


Und jetzt möchte ich im Sinn einer völkerübergreifenden Anerkennung den Schöpfungsmythos der Bibel mit Daoismus vergleichen. In der Genesis steht: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Gott war also der Anfang, wie es das Dao ist. Logischerweise war er also die Ganzheit. Was im Anfang oder vor dem Anfang war, ob Gott oder Dao genannt, muss über der Zweiheit gestanden haben. Der Bibelgott schuf dann erst die Zweiheit wie Yin und Yang. Licht und Dunkel. Positiv, negativ.


Etwas anders steht es bei Johannes. Er meint, dass der Anfang durch ein Wort geschah. „Am Anfang war das Wort“. Aus einem Wort also ging die Welt hervor. Das „Wort“ stellt hier die Störung des Ur-Gleichgewichts dar. Das Wort löst den Urknall aus.


In Indien wurde die Weltentstehung bekanntlich durch eine Schwingung beschrieben, genannt OM. Es kann ja etwas Ähnliches wie „das Wort“ gemeint sein. Nur dauert in Indien der Klang des Wortes noch immer an. Ich weiss nicht, ob die Inder auch erklärt haben, was dabei in Schwingung gebracht wurde, geschweige denn, warum das Ganz überhaupt in diesen Schwingungszustand geraten ist.


Dass die Welt aus einem Klang heraus zur Welt geworden ist, ist jedenfalls eine subtile Deutung. Vielleicht gelangt die Menschheit mit der Zeit von der Quantenphysik zu einer Sonarphysik?


Wie es auch herauskommen mag: Es bleibt in alten oder neuen Kulturen immer dasselbe Problem ungelöst: Der Mensch kann die Ursache seiner selbst nicht fassen.







WELTENTSTEHUNG KONKRET:

DAS SPIEL DER DINGE UNTEREINANDER


DAS GLEICHZEITIGE NETZWERK


Hier ist die Rede von GLEICHZEITIGKEIT als der einzigen Realität. Uns kommt dabei die Welt aber nicht zeitlos und dinglos vor. Aber sogar ohne GLEICHZEITIGKEIT als Totalität zu kennen, erkennen wir dass die Dinge ein gleichzeitiges Netzwerk bilden und dass die Dinge, wie sie im Kosmos existieren, in einem ständigen Austauschverhältnis zueinander stehen.


Es wird zwar auch behauptet, dass am Rand des Weltalls, welches sich ausdehnt, ganze Welten ins Nichts hinunter kippen. Jedenfalls entziehen sie sich unserer Wahrnehmung. Falls sich diese Teile des Kosmos wirklich in Nichts auflösen sollten, würde die GLEICHZEITIGKEIT in ein anderes Licht gestellt, und es käme sogar zu einem Vergleich zwischen dem, was jetzt als Welt eine Vorhandenheit ist und der Auflösung dieses Vorhandenen in ein Nichts.


Vorläufig sind wir aber persönlich und aktuell in einem Austauschverhältnis mit Dingen, die in viel kleinerem Rahmen gegenwärtig sind. Und da erfahren wir uns als ein begrenztes Ding mit Körper und einem engen Lebenskreis. Und als solch begrenztes Ding sind wir den Wirkungen von anderen Dingen ausgesetzt.


Meistens wird dieses Austauschverhältnis für alles gehalten, was es gibt. Gefangenschaft in der Zeit und ihren Abläufen wäre das.


Nun ist GLEICHZEITIGKEIT hier bei uns nicht als mechanistisches Spiel aufgefasst, sondern als ein Sinnspiel. Und es geht bei Raum und Zeit niemals um Raum und Zeit.


So versuchen wir, den Geist, den wir haben, oder den Inbegriff „unserer selbst“ in dem Spiel zu finden und womöglich daraus heraus zu holen. Das ist wohl der Sinn von Zen, der Sinn der Übung des Nichtdenkens.


Da mag ein Satz helfen:

Die ganze Welt entsteht stets im Augenblick.
Und da der Augenblick (oder Moment) immer Augenblick bleibt, entsteht die Welt eigentlich gar nicht richtig, (...).“


oder:
„Es entsteht in jedem zeitlosen Moment die ganze Welt, und alle die Dinge, mit ihrer Vorgeschichte und ihrer prekären Erscheinung, erhalten von Augenblick zu Augenblick einen neuen Impuls, der sie in ihrer Transformation und ihrem Dahinschwinden ein Stück weiter bringt.“


(Ähnlich bereits in GLEICHZEITIGKEIT, IMMER, 2016)

Wie gesagt: Ob die Welt nun wirklich entstanden ist oder nur in ihrer Auswirkung auf uns, ist weniger wichtig als die Frage, wie wir uns aus diesen Wechselwirkungen erheben können.


Die Wechselwirkung der Dinge aufeinander lässt uns nicht ganz frei von Beziehungen zu Dingen und zu Menschen sein.

Ja, wir leben zweiheitlich mit Spannungen zu all diesen Dingen, die das Gegenüber sind, wir beobachten seltsame Gegebenheiten, Himmelskörper, Galaxien, Schwarze Löcher und was da sonst noch alles vorkommt, Natur, Leben, Abläufe.


Und trotzdem ist alles ein GANZES. Auch die Dynamik, d.h. die Bewegung, die in den Dingen ist und sie zueinander in ein Austauschverhältnis bringt, lässt GANZHEIT und Zusammengehörigkeit erkennen.


EIN WENIG CHINESISCH


Das Dao geht über in Yin und Yang (als Grundkräfte im Kosmos) und von da aus immer weiter in die Einzelheiten. Es spaltet sich auf. Die Welt ist nachher zu vergleichen mit einer Auffächerung des Ganzen in ein Spektrum.

Das Dao ist gleichsam jenseits des Urknalls, und Yin und Yang begründen das Spektakel, dass aus ihrer Wechselwirkung besteht.

Wir als Menschen erleben durch unseren Körper und dessen Sinnesorgane verschiedene Wirkungen dieser Kräfte, wir erleben das Ganze stückweise und zersplittert.

Aber wir erleben immerhin, gehen selber nicht in Stücke dabei!
Wenn wir auch als ein Ding unter anderen Dingen leben, haben wir eine Identität im Sinn von Selbst, Ichheit.

Und mit dieser ganzheitlichen Fähigkeit können wir uns manchmal über das Spiel der Dinge erheben, wir erfassen die Welt vielleicht als ein kreisläufiges Geschehen, bei dem alles eines Tages wieder zurückgenommen wird.

Oder wir verstehen intuitiv, warum so etwas wie ein Nichts in einen Kosmos übergangen sein kann, den wir als gegenständlich auffassen.

...UND DOCH IST ETWAS EINZIGES ERWACHT


Es kann sein, dass ich durch Zufälle zu Leben erwacht bin, dass ich durch Zufälle dazu gelangt bin, das GANZE in meiner Form zu verkörpern und durch meine Vorstellungen abzubilden.


Wenn ich am Morgen aus dem Schlaf erwache, merke ich oft deutlich, dass das Spiel der Dinge neu beginnt, ich fülle vorhandene Formen wieder auf, die bekannten Konturen bilden sich.


Dabei empfinde ich das Erwachen manchmal als einen Verlust. Ich war im Schlaf weiter, ich werde jetzt enger.


Vielleicht bezieht sich das auf den gesamten „Stoff“, mit dem wir es zu tun haben: Vielleicht ist doch unendliche Weite wahr und vollkommene Ruhe die Grundlage, und unser Leben, das wie ein Zimmer ist, wird plötzlich durch einen Windstoss bewegt, der alles berührt, aufrührt, und dann ist alles wieder da, was wir real nennen.




HERKUNFT DES VERSTEHENS



INTELLIGENZ INNEN UND AUSSEN


Nachdem wir von der Beziehung der Dinge untereinander gesprochen haben, aus der sich eine Art „Weltspiel“ ergibt, möchte ich in diesem Kapitel darauf eingehen, wie es sich auswirkt, wenn man in so einer Beziehung ein Mensch ist.


Der Mensch ist, soweit wir wissen, das einzige Wesen, welches in seiner Auseinandersetzung mit der Welt zu einem Verstehen gelangen kann.


Aber was ist „Verstehen“? Ist es nur die Erkenntnis von Fakten? Ist es eine Beschreibung von Eigenschaften? Ist es eine Analyse von Faktoren einer Erscheinung? Oder auch die Erkenntnis von Beziehungen von Dingen zueinander? Alles das und noch mehr!


In all diesen Fällen sollte „Verstehen“ eine Übereinstimmung des menschlichen Bewusstseins mit der äusseren Sachlage sein. Der Mensch kommt auf diese Weise in eine Art Übereinstimmung mit seiner Umwelt (im Kopf).


Es ist erstaunlich, dass es möglich ist. Und ich erkläre es mir so:

Weil der Kosmos intelligent ist, sind alle kosmischen Produkte von dieser Intelligenz durchdrungen. Und dann der Mensch, wenn er da ist, ebenfalls.


So kann sich diese Intelligenz also wiedererkennen, wenn eine geeignete Plattform dafür da ist. Ich glaube, diese Plattform ist das Bewusstsein.


Bei dieser Art von Verstehen gelingt dem Menschen somit eine Richtigkeit des Abbildens. Allerdings nur im Idealfall, denn in der Regel ist das Verstehen des Menschen unvollkommen und lückenhaft.


DIE ANDERE ART DES VERSTEHENS


Ausser dieser ersten Art des Verstehens gibt es noch eine zweite. Da geht es um ein Verstehen des Gesamtzusammenhangs und auch der Position, die man darin einnimmt. Es geht da nicht mehr um das Hin und Her von Wahrnehmung und Erfassen auf der gleichen „irdischen“ Ebene, sondern es geht um Verstehen schlechthin. Verstehen von GLEICHZEITIGKEIT ist in diesem Buch empfohlen, meinetwegen kann es auch um das Verstehen des „einzigen Sinns“ gehen.


Auf einmal meldet sich das WESEN des Menschen und sprengt das Bewusstsein.


Aber auch bei diesem Verstehen müssen wir dessen Wurzeln erkennen. Was hier GLEICHZEITIGKEIT genannt wird, hat durch den menschlichen Körper eine besondere Form angenommen, um zu einer Spiegelung besonderer Art zu gelangen.


Es ist nicht nur der menschliche Körper, sondern das darin entstandene Bewusstsein, das hier eine Rolle spielt. Und so kann SIE SELBST im Bewusstsein des Menschen sein.


Daher kann der Mensch GLEICHZEITIGKEIT verstehen. Kann nun dieses Verstehen eine Form haben im Sinne eines Bewusstseinsinhalts? Inhalte sind eigentlich keine da, man sollte auch keine suchen, um sich daran festzuhalten.


Natürlich spürt man etwas: Die Leere ist eine Präsenz, die ganze Welt fliesst damit.


Und so wird man sich bereit machen müssen zum Eintritt in eine Sphäre, wo ÜBERHAUPT KEIN VERSTEHEN ist, und das ist dann das Verstehen der zweiten Art.


DASS ES IM BEWUSSTSEIN SEIN KANN!


Dass die Identität des Vorhandenen überall vorhanden ist, nirgends fehlen kann, ist selbstverständlich.

Doch wenn „sie“ nun doch erkannt wird, vielleicht ein Wort erhält wie GLEICHZEITIGKEIT, dann tritt sie im menschlichen Bewusstsein auf, und wenn das der Fall ist, könnte sie vielleicht ein klein wenig aus ihrer Absolutheit heraus gelöst worden sein, denn sie wird nun gespiegelt, wird zu einer Erscheinung in unserem Bewusstsein.


Das Bewusstsein ist dann nicht ganz leer. Und sagen wir es anders: das eigene Bewusstsein hat den Inhalt von Leere, von besonderer Leere. In der ostasiatischen Philosophie wird nicht umsonst vom einem „leeren Spiegel“ gesprochen.


Zu hoffen ist, dass jetzt die menschliche Bewusstheit gleich mit der kosmischen Bewusstheit wird. Das wäre dann das besondere Verstehen.


Ich würde nicht sagen, dass es um Bewusstmachung geht. Der Kosmos mag schon seine eigene Bewusstheit haben, aber wir müssen auch dessen Unbewusstheit, dessen Schweigen, mit einkalkulieren.


So wird der Mensch meiner Ansicht nach nie den Kosmos bewusst machen, er kann etwas ganz Weniges im Bewusstsein spiegeln.


So spiegeln wir nicht in übertriebenem Mass. Der Ausdruck „der leere Spiegel“ behält seinen Sinn, um dem Wesen der Dinge näher zu kommen.


Und nachher?

Nach solchem Verstehen werden wir wieder aus freiem Willen begrenzte Bilder erzeugen, um uns im Stückwerk zu verlieren.
























WERTE UND MORAL


AUCH MORAL IST GLEICHZEITIG DA


Was haben gesehen, dass alle Dinge in diesem Kosmos ein Netzwerk bilden, in einem gegenseitigen Austausch stehen und dass es ein Spiel der Kräfte gibt.


Dann haben wir auch gesehen, dass der Mensch mit seinen Sinnesorganen ein Teil des Kosmos ist und daher einen Teil der Welt VERSTEHEN kann. Es können sich innere Intelligenz und äussere Intelligenz in Übereinstimmung treffen.


Etwas zu wenig war die Rede von der menschlichen Unabhängigkeit von all den kosmischen Faktoren.


In diesem Kapitel geht es daher um Fragen der Moral. Das Thema Moral kann sich nur stellen in einem Raum von Freiheit. Spricht man von Moral, spricht man von Wahl, von Möglichkeiten zu einer Wahl, vom Ergreifen eines Entschlusses usw.


DIE SKALA DER WERTE IST GEGEBEN


Alles, was da gewählt werden kann, ist hingegen vorgegeben. Es gehört zur Struktur der Welt, dass Gesetze da sind, und in der Menschenwelt gilt das auch. Da gibt es zwar verschiedene Verwirklichungen, aber alle die möglichen Verhaltensweisen unterstehen einer vorgegebenen Wertordnung.


Das moralische Gesetz in mir“ ist ein Wort, das Immanuel Kant zugeschrieben wird. Ich nehme an, Kant wunderte sich darüber, dass es moralische Gesetze in der Menschenwelt überhaupt gibt und zwar, weil sich diese Tatsache einer rationalen Begründung entzieht.


Ich selbst leite das Vorhandensein einer Werteordnung aus der gleichzeitigen ANWESENHEIT ab. Es ist logisch nicht zu verstehen, aber es hat damit zu tun, dass allem Existierenden eine Seele und ein Sinn verliehen ist.


Wenn Kant schrieb, dass „das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben“ ermöglicht, hat er vielleicht gemeint: Das Selbst hat im Menschen Wohnsitz genommen und sein Bewusstsein berührt. Und von da aus ergibt sich eine Wertordnung für das menschliche Verhalten von selbst.


DAS VERHALTEN MIT SINN


Und so versucht ein jeder Mensch, seinen Verhalten einen Sinn zu geben oder sein Verhalten unter einen Sinn zu stellen.


Zunächst laufen haufenweise Triebhandlungen ab, aber zutiefst in sich identifiziert sich kein Mensch mit seinen Trieben.


Das Selbst ist der höchste Wert.

Das Selbst ist auch die die edelste Quelle für das menschliche Handeln.


Und jetzt gehen wir in die Praxis: Wie kann das (eigene) Selbst in moralischem Sinn aktiviert werden? Wann spürt man diesen höchsten Wert? Wirkt er im Alltag? Ist er motivierend?


Wo ist es zu finden? Vermutlich ist es in der Stille. Oder vielleicht auch im Nein-Sagen.


plötzlich begrifflos,

endlich suchtlos

und

ohne Absicht.“


Heutzutage wird mir unter dem Einfluss von Grossfirmen und der Medien gesagt, was ich essen soll, was ich anziehen soll, was ich kaufen soll, wo ich hinreisen soll, wie ich mich austauschen muss, mit welchen Apps auf dem Smartphone ich dazugehöre, und welche Wörter ich brauchen muss, damit ich dazugehöre. Als Konsument verhalte ich mich dann wohl gemäss der Werbung: mit allen schädlichen Folgen, die das haben kann.


Und wo wir in Freiheit unsere Urteilskraft und Unabhängigkeit wirklich einsetzen, was hilft uns da?


Vielleicht es ist Mitleid, Verstehen, Mitgefühl. Vielleicht hilft die Lektüre der Evangelien. Oder vielleicht üben wir uns im Verzeihen auch ohne Evangelien.


Ich bin sicher, dass Selbstbesinnung für die Moral grundlegend ist. Hier mag es auch gleich eine Selbstreinigung geben im Sinn von Befreiung von äusseren Einflüssen. Sodann ist entscheidend: die Selbstachtung. Denn ich kenne keinen Menschen, der sich gerne vor sich selber schämt.


VERWIRKLICHUNG ZU BEWEGTEM LEBEN


Wir sind aus der Tiefe des Weltalls hier an die Oberfläche gekommen, nicht nur um fleischlich zu leben, sondern auch, um Werte zu verwirklichen.

Mit einem Fuss hier, mit dem anderen da, Körper hier, Geist da, Subjekt hier, Objekt da. Gekommen aus einem Gestern, um in einem Jetzt zu leben.

In dieser„Geworfenheit“ (Heidegger) wird es darum gehen, das erst zu finden, was man die eigene Moral nennt.


ORIENTIERUNG AN SCHÖNHEIT


Und da orientiert sich der Mensch oft an etwas oder an einem Vorbild. An was für Vorbildern? Jesus, Karl Marx, Sigmund Freud, C.G. Jung, Max Planck, Hitler...?


Nicht selten orientieren wir uns an Schönheit. Am Gefallen.

Ist eine gute Moral vielleicht Lustbefriedigung? Man geht doch gern dem nach, was man liebt.


Tatsächlich mischt sich bei jeder menschlichen Absicht in irgendeiner Form die Liebe ein. Da ist eine Liebe zu einem Menschen, zu allen Menschen oder nur zu einem Hund oder zu einem Ding , vielleicht schändlicherweise nur zu einem Auto oder zu einem neuen Smartphone...


MORAL ALS DAS UMLENKEN DER KRÄFTE


In den Yogasutren von Patanjali steht irgendwo, dass aller Yoga nur darauf beruht, dass man Kräfte umlenkt. Das ist bei Yoga bestimmt der Fall, aber nicht nur dort: Selbstverständlich verwirklichen wir von selbst ein ganzes Leben lang Kräfte und lenken sie auch um. Dadurch, dass wir etwas wollen und etwas verwirklichen, geschieht es.


Die gleichzeitigen kosmischen Kräfte sind es, die wir umlenken. Ob gut oder schlecht oder abwechselnd mal gut und mal schlecht, das kommt oft erst im Nachhinein heraus.


Linji (China, ca. 850) lehrte, dass das Selbstvertrauen die Grundlage für ein gutes Umlenken der Kräfte ist. Natürlich ist gemeint: „auf das Selbst zu vertrauen“.


Ich habe das Zitat im Wortlaut im Moment nicht greifbar. Doch die bekannte Formel vermag es wohl auch anzudeuten:


plötzlich begrifflos,

plötzlich suchtlos

ohne Betrachtung

und ohne Absicht


BRENNHOLZ


In den Upanischaden wird oft geschildert, wie ein Schüler zu seinem Lehrer kommt. Die Schüler erscheinen mit Brennholz. Ich habe lange nicht verstanden, was das bedeutet. Aber die Symbolik ist klar. Die Schüler bringen sich selbst, das heisst: Sie bringen den Teil von sich, der noch zu verbrennen ist.


(Das habe ich ausdrücklich bestätigt gefunden in der Chandogya-Upanischad V,24.)


In den Upanischaden wird das Feuer allerdings auch in einem allgemeinen Sinn erwähnt: Der ganze Kosmos wird als ein Brennen von Feuer gesehen. Das irdische Feuer symbolisiert das und gilt daher als heilig bei den Brahmanen.


Und so dürfen wir unser Leben und Handeln als einen Teil dieses Brennens auf der ganzen Welt auffassen.









INKARNATION oder:

WIE SICH ZEITLOSES IM LEBEN EINNISTET


WAS KANN SICH INKARNIEREN?


Das Wort Inkarnation bezieht sich hier auf die Tatsache, dass die ganze Welt, also alles, Geist ist.


Nicht wahr: Das ist eine Deutung oder eine Deklaration. Aber ganz so wie früher möchte ich es nicht gemeint haben. Ich möchte damit nur ausdrücken, dass es etwas Unklares ist für uns, aus was diese Welt hervorgegangen ist. Auf jeden Fall ist es sehr subtil und entzieht sich unserer Wahrnehmungskraft. Darum sage ich:


Da ist zwar Fleisch, aber es ist aus Geist gemacht. Da ist zwar Leben, aber es wird belebt.


Es gibt viele Dinge auf der Welt, diese sind aber nicht aus sich selbst entstanden, sondern sind eine Umformung von GLEICHZEITIGKEIT. Sie sind eine Umformung inmitten von GLEICHZEITIGKEIT, würde ich noch lieber sagen. Man kann auch sagen: Die Dinge sind eine Umformung von Geist. Oder, falls man nicht weiss, was „Geist“ sein könnte: Das WESEN der Welt wird zu Dingen, zu Leben.


Das ist der Sinn davon, wenn wir sagen: „GLEICHZEITIGKEIT ist in den Abläufen“, oder wenn wir sagen: „Es ist das eine WESEN der Welt, das in jeder Form ist“.


Damit hat jede einzelne Form diese Bedeutung.


Daher bin ich auf „Inkarnation“ gekommen. Es inkarniert sich GLEICHZEITIGKEIT, das Unfassbare, zuerst in Dingen fleischlos, dann auch in Lebewesen fleischlich. Und so in jedem Menschen.


Diesen Vorgang der gleichzeitigen Weltentstehung verstehe ich nicht als einen Willensakt von oben nach unten. Mir scheint die Verbindung mit Geist und Wesen ist simultan und geht vielleicht sogar eher von unten nach oben insofern, als die Form den Geist anzieht.


Ich versuche, nicht daran zu denken, was „Vorher und Nachher“ ist.

Es ist nur unsere Denkweise, die uns zu solchen Vergleichen zwingt wie: Da ist zuerst das Gewebe, dann trägt es Geist.


Sinnvoller ist zu verstehen: Die Inkarnation geschieht simultan, also gleichzeitig. Ich weiss nicht, ob der Geist prägt oder das Ding zieht, und was auch immer an Prägung (Form) sich entwickelt, so trägt sie immer den EINEN Geist. Und immer wieder ist das Werk vollendet.


Ein sehr beweglicher Geist liegt da vor. Er ist nicht die Bewegung, ist dennoch in jeder dabei. Er ist nicht die Form, sondern ist in der Form.


So mag das WESEN der Welt ein unfasslicher Geist sein. Aber im eigenen Leben wird dieser Geist doch erkennbar. Ausserhalb von uns stellen wir fest, dass die Dinge Dinge sind, innerlich stellen wir fest, dass wir leben.

Was wollen wir mehr?


KÖNNEN WIR EIN ANGEMESSENES BILD VOM MENSCHEN GEWINNEN?


Diese Ausführungen zum Thema „Inkarnation“ reichen bereits aus, um ein Bild vom Menschen zu skizzieren.


Vom rational begabten Triebbiest über biochemische und elektromagnetische Ballungen, kommt auch noch die Anwesenheit von einer kosmischen EINZIGKEIT vor.


Frage ist, wie nun der Einzelne ein Bild von sich selbst gewinnt, welches Selbstgefühl er dabei erreicht. Als reines Triebwesen sieht man sich nicht. Auch vom Körper und seinen chemischen und elektromagnetischen Eigenheiten fühlt man sich nicht ganz abhängig.


Und dann gibt es noch Definitionen, die von Individualismus, Sozialismus, Kapitalismus, Psychologismus, Rationalismus herkommen. Da wird man sich vernünftigerweise auch nicht richtig abgebildet vorkommen.


Vielleicht bleibt noch die Gelegenheit übrig, den Untergang der mosaischen Gottesvorstellung zu feiern, dass nämlich der Mensch Gottes Ebenbild sei.


Das kann der Mensch nicht sein, weil die Dualität zwischen Gott und Mensch nur gedacht ist, nur eine Konstruktion ist. Und wenn man nicht denkt, nicht konstruiert, nicht glauben will, dann gibt es keinen Gott, sondern nur die Wirklichkeit, und die braucht keinen Gott, ist besser als Gott und schliesst diese Figur (immer da, wo sie geglaubt wird) mit ein.


Auf diese Weise kommen wir nun zu einem schönen Menschenbild.

Es ist kosmisch, es ist wirklich, es ist gleichzeitig, und es ist weiter als man es überhaupt ausdenken kann.


In Indien benannten sie das Ganze, und eigentlich auch den Menschen, „Atman“. Also kannten sie den „kosmischen Menschen“.

Nicht nur im alten Indien, sondern in der gesamten Kulturgeschichte finden wir Beispiele für so eine Art Urbild von Mensch, das eigentlich gar nicht definiert, sondern allseitig war. Und in diesen Bildern repräsentierte der Einzelne das All. Der Mensch konnte gerade durch seine Vielseitigkeit und Widersprüchlichkeit das All repräsentieren.

Und wenn man sagt „All“, meint man GLEICHZEITIGKEIT.

In der indischen Lehre vom „Atman“ wird etwas Absolutes als anwesend erkannt. Das Absolute kann auch individuell sein. Und so umfasst „Atman“ auch unser Innenleben, ist eine intime Anwesenheit.

Atman wird zuweilen auch mit „Wesenskern“ übersetzt, aber bei diesem Ausdruck darf nicht untergehen, dass der „Wesenskern“ eine weltweite Bedeutung hat.

Ich bin als Einzelner demnach zu Leben erweckt worden, um mich mit der Welt abzugeben, entstanden, um im Spiel der Dinge zu sein und darin ein mehr oder weniger bewusster Teil zu sein.


Alle unsere Widerspiegelungen, Reaktionen und Aktionen sind Teil des Spiels der Dinge untereinander. Das ist also Inkarnation.


DIE GANZE NATUR IST DOPPELSINNIG

Wegen der Inkarnation hat alles, was in der Natur vorkommt, eine Doppelbedeutung: zunächst die konventionelle Bedeutung, dann auch die Sinnbedeutung.

Durch unser Leben und unsere Sensibilität sind wir besondere Spiegel geworden. Wir haben im Vergleich zu toten Dingen eine eigene Reaktionsfähigkeit, und wir können ausserdem verstehen, was jenseits von Zweiheit ist.

Das gleichzeitige Weltwesen hat offenbar die Tendenz, sich allem zuzuwenden, alles zu gestalten, alles zu begleiten. Ein Fliessen ist es. Viele meinen, dass es ein Ausfliessen sei, aber es ist kein Ausfliessen. Wir selbst merken dabei kaum, dass wir in diesem Fliessen drinstecken, denn es ist unsere Natur, damit eins zu sein, davon getrieben zu werden, immer weiter, gewissermassen gegen vorne und zum Gestalten und Machen. Oder teils auch zum Erleiden.

WAHRNEHMUNG WIRD ICHHAFT


Nun können wir uns fragen, warum das alles so ichhaft, so persönlich wird.

Ich vermute, dass die ganze Welt einen Ich-Charakter hat, von Anfang an und immer. An einem anderen Ort habe ich mal notiert, dass die ganze Welt wie eine narzisstische Selbstdarstellung ist. Es dreht sich alles um sich selbst.

So können wir uns die Existenz des eigenen Ichseins mal erklären.
Und dass es dann auch eine Aussenwelt gibt, die offenbar unabhängig von unserer ichhaften Wahrnehmung existiert, ist nichts Besonderes. Das hängt mit der Haut und unserer körperlichen Eingeschränktheit zusammen.

INDIVIDUALISIERUNG


Dass bei diesen Bewegungen und Entfaltungsprozessen nicht immer dasselbe herauskommt, und Menschen nicht alle gleich sind, beruht auf der Tatsache, dass wir alle mit einem Körper heranwachsen. Wir sind gestaltete Einzelwesen, Raum und Zeit unterworfen. Ich weiss nicht, wie diese Wirkungen im einzelnen entstehen. Jedenfalls gibt es bei allen Lebewesen verschiedene Begabungen.


So gibt es Dummheit und Intelligenz bei den Menschen, oder es gibt Triebanlagen von dieser und jener Ausprägung. Das ist „angeboren“, sagt man. Und wenn es „angeboren“ ist, so muss es mit Prädestination zu tun haben.


Dass es im Kosmos und bei seiner Entfaltung eine Prädestination gibt, sollte man nicht ausschliessen nur, weil man nicht weiss, wie es funktioniert. Ich selbst behandle dieses Thema hier nicht, weil ich auch nichts darüber weiss.


Über den Grundvorgang, die Inkarnation, lässt sich jedoch sprechen. Und da ergibt sich, dass sich das WESEN dieser Welt auf differenzierte Art und Weise kundtut, farbig, vielfältig, als Spektrum.


Und wie erfolgt diese Kundgabe?

Immer gleichzeitig in den Ereignissen, die geschehen, gleichzeitig in den Wahrnehmungen, die ein Mensch macht auch sofort.


Von Gleichzeitigkeit zu nächsten Gleichzeitigkeit. So ist der Mensch und sein Lebenslauf.


ANTEILNAHME AN DER WELT


Das WESEN DIESER WELT hat durch die Kreation meines Körpers eine Stelle gefunden, um in den Stoff (Welt) hinein zu wachsen.


Das geschieht simultan. Die „Anteilnahme des Weltwesens an der Welt“ beruht auf der Doppelsinnigkeit von allem Existierenden.

Die Welt ist zugleich ein Sein und ein Ausdruck.


Insofern verstehe ich Inkarnation als GLEICHZEITIGKEIT, und wenn man bei toten Dingen bloss von Materialisation spricht, geht es um dasselbe.


WIDERSCHEIN OHNE VERSTEHEN


Quallen, Regenwürmer und Mücken haben auch einen Widerschein des absoluten Lebens in sich. Dass das Weltwesen in seiner GLEICHZEITIGKEIT seine Anteilnahme auch Quallen, Regenwürmern und Mücken schenkt, ist selbstverständlich, weil es Quallen, Regenwürmern und Mücken gibt. Aber uns verwirrt das ein wenig, solange wir uns das Weltwesen als menschenähnlich vorstellen.


Gleichzeitig ist es, nicht menschenähnlich, also nur im Menschen menschenähnlich, woanders nicht menschenähnlich, und es ist besser, wenn wir uns nicht anstrengen, es zu denken und es in eine Vorstellung zu pressen.


Wir müssen schauen, dass wir nicht in einer Borniertheit hängen bleiben. Vergessen wir nicht, dass wir von Natur aus borniert sind und es auch bleiben werden.


Gemeinsam ist allen Lebewesen, seien es Menschen, Quallen, Regenwürmer oder Mücken, dass sie in einem geschlossenen System drin leben. Alle Körper haben Nerven, diese bilden ein kreisläufiges Wahrnehmungssystem. Ein engeres oder weiteres.


Jeder Mensch lebt von Anfang an in einer Haut drin. Diese Haut führt unweigerlich zu einer Trennung vom Ganzen.

Dank dem inneren Kreislauf entsteht in unseren Nerven (Hirn) nun eine individuelle „Schau“, eine besondere Art von Widerschein.

Es ist bei diesen Filterungen so, dass eine menschengemässe Weltanschauung entsteht, bei Würmern entsteht eine wurmgemässe Weltanschauung, bei Quallen eine quallengemässe Weltanschauung.


SENG TS'AN


Seng Ts'an, der etwa um das Jahr 600 herum lebte, empfahl schon damals, sich von den Unterscheidungen, die die Nerven bieten, nicht in die Irre führen zu lassen.


Betrachtest du die zehntausend Erscheinungen gleich, dann kehrst du zurück zum Natürlichen,“ soll er gesagt haben, und:

Wenn der Geist keine Unterscheidungen trifft, sind die zehntausend Erscheinungen Wie-Eins.“

(Seng Ts'an, Die Meisselschrift, S.24)


Viele Milliarden Jahre der Entstehung und Entwicklung im Weltall, der unendliche oder endliche Raum, die unendliche oder begrenzte Zeit, und alles Wissen darüber, erweisen sich als unnütze Vorstellungen von begrenzten Geistern.









GLEICHZEITIGKEIT IM INNEREN



ICH UND LICHT


Es war soeben die Rede davon, dass unsere Wahrnehmungen ichhaft werden, und dass die ganze Welt ein Ich sein könnte.


Und dann war auch die Rede davon, dass es eine „Anteilnahme des Weltwesens an der Welt“ gibt, insofern, als das WESEN DIESER WELT durch meinen Körpers eine Stelle gefunden hat, um in den Stoff (Welt) hinein zu wachsen. Nun, aber wie?


Als Ich.

Jedenfalls können wir es sonst nicht bemerken.


Wenn jetzt das eigene Ichsein zum Thema der Meditation wird, kann es als eine Umkehr der Sicht gelten.


Aber zuerst einmal ist das ganz anders. Das eigene Ich ist zunächst überhaupt keine Umkehr der Sicht oder Einkehr, sondern eine Kraft, die als ausstrahlend erlebt wird.


Ich bin“ ist ein Ausstrahlen. „Ich“ ist einfach das Zentrum von allem, nicht nur von mir, sondern überall von allem. Insofern also ist das gleichzeitige WESEN dieses Kosmos anwesend.


So geht es hier um die Tatsache, dass wir von innen heraus auf die Welt schauen, und das eigene Ich ist dabei wie eine Lichtquelle, die alles beleuchtet.


Es kommt als Licht von innen heraus, das ist bei allem, was wir tun, der Fall. Das ist auch bei der Art und Weise, wie wir etwas tun, der Fall.


Der Lichtvergleich ist nicht schlecht, weil es helles und weniger helles Licht gibt, verändertes Licht, abgedunkeltes. Das betrifft uns in unseren Befindlichkeiten. Das machen wir also in unserem Ichbefinden durch.


Aber das Licht bleibt an und für sich das gleiche. Es ist anwesend: Und in seiner Anwesenheit geht das Ich in Aktionen über, scheinbar nimmt es Spielformen an.


So gibt es enge oder weite Fokussierung. Enge oder weite Verwirklichung. Es gibt viele Veränderungen des Spektrums, insbesondere in der Fixierung auf Enge und Weite. Und dieses ICH vermischt sich ständig mit unseren körperlich angeborenen Eigenschaften.


Es ist ein Ich, von dem alle Dinge ausgehen," schrieb Henri Le Saux (Die Spiritualität der Upanischaden, S.63). es geht dabei um den gleichen Gedanken von GLEICHZEITIGKEIT VON ALLEM, nur in einer anderen Form.


Es ist nun festzustellen, dass das WESEN dieser Welt, also das ICH in uns, sich in der ichhaften Form gierig auf die Bilder von hier stürzt, sich sozusagen blind an einen Ort klammert und sich in das Geschehen einmischt, welches hier abläuft.


Das WESEN dieser Welt dringt als „mein Ich“ in mein Erleben ein. Und es lässt dann auch in meinen Widerspiegelungen eine Wunderwelt entstehen.


Es geht in die Erregung von Nerven hinein, geht in den Gang von Gedanken ein. Das ICH geht auch in die Triebe ein, geht sogar in die Körperkräfte hinein, lenkt Taten und macht freudvolle oder bedrückte Befindlichkeiten mit.


So fliesst die Welt und so fliesse ich mit meinem Teil der Welt mit.


DAS ICH ALS WEG


Wenn in der Bibel steht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, verstehe ich es so: Mein ICH ist mein Sein, das ist klar, und zugleich ist es auch mein Weg, meine Entwicklung.

Und wir haben in jenem Spruch auch das, was so schwer zu verstehen ist, nämlich dass die Welt nicht nur ein Sein ist, sondern zugleich ein Fliessen, und das erwähnte Sein ist nicht statisch, sondern eine Entwicklung, welche etwa Leben entstehen lassen kann. Das fliesst also aus in ein Geschehen.


Insofern gehören Leben, Wahrheit und Weg zusammen.


Aber :

Dieses Ausfliessen kann gestoppt werden oder umgekehrt werden. Das ICH als kreatives Fliessen kann wieder zurück in sich selbst sinken. Das schauen wir uns dann noch an. Wir werden später darauf zurückkommen.
























ÜBER DIE NOTWENDIGKEIT VON GESTALT UND WAS SPRACHE BEDEUTET

NOTWENDIGKEIT DER KOSMISCHEN GESTALT


Bei der Betrachtung von allem kann man sich überlegen, ob das, was da ist, oder all das, von dem wir glauben, dass es da ist, eigentlich sein muss? Wir haben da einen astronomischen und mikroskopischen Bereich. Da sind Formen, Gegenstände, und diese sind Auswirkungen von etwas, glauben wir jedenfalls, und daher versuchen wir, ihre Geschichte und Herkunft zu erfassen. Wir denken, wir stossen dann auf Sinn.


Damit betreiben wir eine sprachliche Erfassung von all dem.

Lösen wir uns aber zwischendurch von diesem Beziehungsgeflecht, das uns einerseits Fakten liefert und andererseits unsere Betrachtung dieser Fakten, wäre die Frage möglich: Wie kann das sein? Wie kommt das nur? Muss das sein?


Muss die Welt sein? Gibt es einen Grund, warum sie so ist, wie wir sie wahrnehmen?


Oder hängt das Phänomen nur von unserer Wahrnehmungsweise ab? Es könnte ja sein, dass diese Zerpflückung der Realität in Einzeldinge gar nicht wirklich so real ist, wie wir meinen, sondern ein Werk unserer Beschränktheit?


Und wenn wir uns lösen würden aus diesem Beziehungsgeflecht, diesem Hin und Her, wohin würden wir uns dann lösen und was würde von uns übrigbleiben?


Vielleicht lassen wir das Fragen besser sein, und fragen uns also das alles nicht. Wir können auf sinnvollere Weise weitermachen, anders:

Als Menschen haben wir die Wahl nicht, uns über unsere eigene Lage hinaus zu stellen und etwas besser zu machen. Wir sind dabei, zu fühlen und zu reagieren. Bleiben wir dabei. Wir sind dabei, die Welt abzubilden. Machen wir es weiter so! Die Welt geht uns etwas an, so wie sie ist. Was sollten wir da ergründen?


WUNSCHERFÜLLUNG


Eine Deutung der Situation, in der wir stecken, ist immerhin möglich.


Es geht um Wunscherfüllung.

Wer oder was ist wünschend, wer oder was erfüllt da sich oder anderen einen Wunsch?


Ganz so einfach ist das nicht zu sagen wegen der Plötzlichkeit.


Man kann nicht sagen: Da ist die Absicht eines Wunsches gewesen, und die ist durch Erfüllung des Wunsches gestillt worden.


Die Wunscherfüllung ist kosmisch und findet in den Augenblicken oder Momenten statt. Darum ist alles immer doppelbödig, zweiseitig und doppelsinnig. Die Wunscherfüllung ist nicht nur abstrakt „kosmisch“, das auch, aber wir müssen wissen, dass alles, was wir persönlich erleben, auch in uns und durch uns Wunscherfüllung ist. Wir sind selbst die Wunscherfüllung. Wir können die ganze Welt so ansehen: Sie ist unsere eigene Wunscherfüllung.


Und dabei verlieren die einzelnen Spielregeln dieses Spiels, aus dem sich Vielfältigkeit ergibt, ihre Bedeutung. Und auch unsere sprachliche Erfassung der Welt verliert sehr weitgehend ihre Bedeutung.


Aber das ist tröstlich, denn:

Wenn die ganze Welt aus dem Wunsch besteht zu sein und unsere Existenz darin eingeschlossen ist, dann lässt sich erkennen, dass die ganze Welt genauso sein muss, wie sie ist.


Die toten Dinge akzeptieren das. Wir als Menschen etwas weniger: Wir bilden ab.


Indem wir abbilden, möchten wir alles in die menschliche Sprache umsetzen, wir möchten es begreifen, verstehen.


Es ist unser Wunsch, auf das, was uns begegnet, mit einem Verstehen zu antworten und eine sprachliche Formulierung zu finden.



SPRACHE BESTEHT AUS FORMELN UND ABSTRAKTIONEN


Schon das Wort „Formulierung“ macht klar, dass Sprache Formgebung ist, und dabei ist es unweigerlich so, dass die sprachlichen Formeln von Mensch zu Mensch verschieden aufgenommen werden.


Die Formen (Sprachformeln) müssen mit Sinn gefüllt werden. Und so sind Sätze, wie sie hier stehen, eine Art Raster, durch den man beim Lesen hindurch fallen sollte, um zu verstehen.

Eigentlich ist dieses Problem überall vorhanden, wo ein sprachliches Werk entstanden ist. Das ist besonders stark der Fall, wo mit sprachlichen Mitteln etwas erfasst werden soll, welches die gängigen Denkformen auswischen will.


So ist es bei Poesie der Fall. Bei religiösen Schriften wie Bibeln oder Koran ist es auch der Fall. Bei diesen sprachlichen Werken geht es immer darum, ob der Einzelne eine sinnvolle Entschlüsselung findet.


Schön ist für mich, dass meine Argumentation mit GLEICHZEITIGKEIT VON ALLEM von vielen Leuten spontan verstanden wird. Da wir alle aus dem gleichen Stoff gemacht sind, scheint eine Verständigung möglich zu sein.


WIE IST DIE WELT OHNE SPRACHE?


Eine interessante Frage ist im Zusammenhang damit, wie die Welt für uns wäre, wenn wir die Sprache nicht hätten. Wenn wir uns nicht ausdrücken könnten, wenn wir nichts in dieser Form wiedergeben könnten. Oder überhaupt: Wie ist die Welt, wenn sie nicht von einem Menschen erkannt, gedacht, abgebildet wird?


NAMENLOS


Was ist denn vom Kosmos übrig, wenn keine Reflexion da ist?

Ist dann alles ein namenloses, nichtiges Geschehen? Ist es gar nichts? Ist es besser, als wenn es reflektiert wird? Oder ist es besser, wenn es reflektiert wird?


Sind die Dinge ohne Mensch und seine Sprache dann noch dieselben? Reflektieren die toten Dinge ausreichend?


Und was für eine Objektivität gäbe es, wenn niemand da wäre, der Augen und Hirn hat und niemand, der die Messergebnisse der Messapparate auswerten könnte? Angenommen, es wäre niemand da, der sagen könnte: „Ich sehe Licht, ich kann feststellen, wie Feld, Wald und Wiese im Lichte des Lichts aussehen“... wie wären dann Feld, Wald und Wiese?

































DIE EINE EKSTASE UND DIE MENSCHLICHEN EKSTASEN



EKSTASEN ÜBERALL


Ekstasen des Menschen sind besondere Befindlichkeiten.

Ekstasen sind Steigerungen im menschlichen Befinden. Das Wort Ekstase bedeutet ein „Aussersichsein“.


Inmitten einer Umwelt, die hier als „gleichzeitig“ bezeichnet wird, ist nun interessant der Frage nachzugehen, was menschliche Ekstasen bedeuten.


Zuerst einmal ist zu sagen, dass sich aus der GLEICHZEITIGKEIT aller Vorgänge ergibt, dass die ganze Welt und all ihre Gegenstände von Anfang an eine Ekstase sind und nichts anderes.


DIE WELT ALS EINE EINZIGE EKSTASE: ATMAN IN SEINER WELTEKSTASE


Um das zu erklären, kann ich auf die indische Philosophie zurückgreifen. Da gibt es den ATMAN.


Der Mythos rund um ATMAN lautet: Er ist EINES ohne Zweites (A-dvaita), der Atman IST also die Welt, aber weil es eine Welt gibt, befindet er sich da in einem Zustand von Ekstase.


Bei diesem Schöpfungsmythos weiss ich nicht, ob diese Ekstase absichtlich herbeigeführt wurde, oder zum Spass, oder ob sie gar nicht geschieht, weil unsere Welt nur auf Einbildungen und Deutungen besteht. Immerhin ist nun der Zusammenhang zu menschlichen Ekstasen hergestellt.


Und dabei ist die Frage spannend, ob menschliche Ekstasen als eine Annäherung an die Weltekstase gelten können?


Atman nimmt im Menschen menschliche Formen an nebst den dinglichen, und zu lesen ist ausserdem, was wir nicht erwarten: nämlich dass dieser ATMAN sich zur gleichen Zeit und bei allem, was geschieht, im Zustand der Selbsterkenntnis befindet, also bei sich selbst ist.


So ist wohl der Rahmen abgesteckt zwischen Welt und menschlicher Ekstase. Kann es nun sein, dass Menschen in ihrer Ekstase sich der absoluten Wirklichkeit annähern können?


Viel Material habe ich da nicht. Ich habe nur wenige Beispiele.


GEBET VON BRUDER KLAUS


Dieser lebte im Mittelalter.


Mein Herr und mein Gott,

nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.

Mein Herr und mein Gott,

gib alles mir

was mich führet zu dir.

Mein Herr und mein Gott,

so nimm mich mir

und gib mich ganz zu eigen dir.“

(Bruder Klaus)


Hier scheint es mir um die Ekstase des Losgelassenhabens zu gehen.


Jetzt sollten noch mehr Beispiele folgen! Aber leider habe ich Bildungslücken, und in der Bibliothek stehen Bücher, die ich schon lange nicht mehr gelesen habe und die ich jetzt auf ekstatische Stellen durchackern sollte.


In Erinnerung blieb mir Ramakrischna, der in Verzückung zu geraten pflegte. Auch Rumi war ein Ekstatiker der Liebe, Mechthild von Magdeburg, Franz von Assisi, gute Komponisten und Interpreten von Musik können wir auch dazu zählen.


ERKENNEN ALS EKSTASE


Eine gewisse Art von Erkennen führt sicherlich auch in eine Ekstase. In diesen Fällen dürfte es so sein wie bei der Kohlensäure im Mineralwasser. Öffnet man die Flasche, steigen Bläschen empor und platzen an der Oberfläche.


Und dann gibt es die vielen Ekstatiker des Sehens: Weil die Welt doppelsinnig ist und für etwas Anderes da steht, kann ein Sinn auch in alltäglichen Bildern aufgehen.


Und falls es zuoberst auf dem Matterhorn noch mehr der Fall ist, muss man halt dort hinauf.


MENSCHLICHE EKSTATIK UND LIEBESTAUMEL


Ich vermute, dass der Mensch schon in Urzeiten die EINZIGKEIT erreichen wollte. Das Heilige jenseits des Verstands, wobei sie in der Urzeit wohl noch keinen hatten.


Ein Liebestaumel durch göttliche Umarmung, ein Liebestaumel durch physische Umarmung, Verschmelzung des Bewusstseins mit dem All, die Zersplitterung der Oberfläche und das Verschwinden des Spiegels. Die Lichtüberflutung

... und noch viel mehr. Ob sie Mystiker, Yogi oder Sufi waren: Sie erreichten aussergewöhnliche Befindlichkeiten. Mit Atemübungen, Erregung der Chakren, Erregung und Vermischung feinstofflicher Körperteile entstanden Verzückung, Ekstasen, Trancen, auch Visionen waren dabei. Früher gab es Zungenreden (Das ist nicht mehr in Mode) darüber sagte man: „Es spricht der Geist, nicht der Verstand“. War es ein Gelalle?


Berichtet wird oft von Lichterscheinungen, teils nur im Inneren, selten sahen so etwas andere Leute auch im Äusseren. Früher hat man zum eigenen Kulturkreis passende Engel gesehen, z.B. den Erzengel Gabriel, oder es wurde die Jungfrau Maria gesehen und Jesus in seltenen Fällen auch.


In diesem Zusammenhang ist die noch bestehende mystische Tradition des Islam zu verstehen, ausgeübt von Leuten, die Sufi, Derwisch, Fakir genannt werden. Im Islam wird Gott oft als „anwesend im gegenwärtigen Augenblick“ bezeichnet, diese Gegenwärtigkeit Gottes wird durch Übungen heraufbeschworen, bis der Sufi sich selbst vergisst.


Zu erwähnen sind auch all die schamanistischen Tätigkeiten, welche es wohl in echter Form in einigen abgelegenen Regionen der Erde noch gibt. Sie beruhen auf der Bereitschaft von gleichzeitig Anwesenden, sich durch allerlei Reize wie Trommelschläge und Suggestionen auf eine Seelenreise zu begeben. Auf dieser Reise werden unbewusste Kräfte geweckt und als Geister personifiziert.


Ich möchte an dieser Stelle klar machen, dass GLEICHZEITIGKEIT „von allem“ die Existenz von solchen Geistern nicht ausschliesst. Natürlich kann man sie objektivieren und personifizieren, wenn man will.


Aber mir genügt es, wenn in der nächsten Nachbarschaft Leute wohnen, die sich mit heiligen und teuflischen Geistern abgeben.


ERWEITERUNG VON BEWUSSTSEIN, HORMONE UND GIFTE


Wohltuende Übungen, wohltuende, emporziehende Gedanken setzen körpereigene Stoffe, meistens Hormone, frei. Auch ich mache Gebrauch von diesem Naturphänomen. Tatsächlich hat tiefer Glaube, tiefe Innigkeit, Andacht, Liebe, auch ohne yogische und tantrische Übungen eine Art Drogierung zur Folge.


Ich nehme an, dass jeder Gedanke, den ich denke, eine biochemische Wirkung hat. Und so hat auch der Hinweis auf das Nichtdenken eine Wirkung. Auch Erinnerungen haben eine Wirkung, ebenso Hoffnung. Ich vermute, nur schon die Hoffnung auf die Tatsache des Nichtwiderspiegelns hat eine Wirkung.


Und so ist auch GLEICHZEITIGKEIT eine Droge. Auf andere Rauschzustände, die durch Partydrogen, Lärm, Alkohol, Reisen usw. entstehen, möchte ich nicht eingehen.



















WO IST DIE GROSSE ERLÖSUNG?


Die Bemühung Ekstasen hervorzurufen oder sie auf irgendeine kunstreiche Art zu finden, geht zweifellos auf das Bedürfnis zurück, Erlösung zu finden.


Und was kann Erlösung sein? Doch wohl, dass man auf eine uneingeschränkte Art und Weise sich selber ist oder: dass man sie, die Erlösung, selber ist.


Darum möchte ich noch einmal auf das ICH zurückkehren. Wir haben in einem früheren Kapitel festgestellt, dass das Ich wie ein Licht ist, das in alles, was wir sind, einstrahlt.


Dies geschieht oft oft in unreflektierter, unbewusster Weise. Oft fühlen wir uns aber davon bewegt und reflektieren es. Und es wurde auch erwähnt, dass dieses Ich ein Weg zu sich selbst ist.


Insofern würde das heissen, dass das Ich der Weg zur Erlösung ist.


Aber wie sieht dieser Weg aus? Das Licht kann allerlei Trübung erlitten haben, geht es also um Reinigung des Lichts?


DIE REINIGUNG DES LICHTS


Wenn die Tatsache gilt, dass wir von innen heraus auf die Welt schauen und sozusagen das eigene Leben und die Umgebung beleuchten, so ist mit der Tatsache, dass dieses Licht gleichzeitig in sich selber ruht, eine Umkehr der Sicht verbunden.


Statt um das Ausfliessen geht es jetzt um die Rückkehr der Energie (metaphorisch gesagt).

Diese Umkehr der Kräfte ist nur eine Illusion, kosmisch gesehen, für uns aber nicht. Für uns ist es eine Reinigung des Lichts.


Oft umschreibt man diesen einfach Vorgang schlicht mit dem Wort „Selbstbesinnung“. Selbstbesinnung bedeutet als Vorgang: Statt von unseren Erlebnissen geblendet zu sein, beachten wir die Quelle davon.


SELBSTBESINNUNG ALS STAU DER KRÄFTE


Aber das kann noch weitere Wirkungen haben. Selbstbesinnung kann man auch mit einem Rückstau vergleichen. Der Fluss der Kräfte, diese kreativen Energien, werden zurück gestaut. Dann kommt es nicht zur Abbildung der Welt. Es gibt keine Hervorbildung von Vorstellungen. Die Abfolge der Eindrücke hört auf. Und es kommt nicht zu Taten.


So entschwindet vielleicht für eine Weile die Welt als Widerschein. Ich mische mich nicht ein. Und Frieden erweist sich als willkommen.


Nichts tun.

Nicht denken.

Ohne Bewegung sein

Anerkennen

Bejahen...


Das ist Selbstbesinnung und ändert das Befinden.


Doch der Mensch will nicht nur eine kurze Beruhigung. Er braucht eine existenzielle Beruhigung, eine zeitlose und ewige Versicherung, um auf den Boden zu kommen.


Die ganz grosse Erlösung könnte nun in einem Erloschensein bestehen und zwar in einem dauernden Erloschensein.


Davon ist die Rede im Yoga und im Buddhismus. Im Yoga heisst die Erlösung „die Freiheit“ (Kaivalya), im Buddhismus „Nirwana“, das Erlöschen des Wehens, Erlöschen der Wechselwirkungen.


Es geht dabei um Einformung in den Kosmos und seinen Sinn. Man ist daraus heraus gekommen, um ein bisschen in Bewegung zu geraten. Frage ist nun: Kann man wieder dahin zurück? In den Vorgeburtszustand? den Allgemeinzustand?


Ist diese Vorstellung überhaupt richtig? Ist man denn gekommen, um wieder zurück zu gehen? Oder ist man überhaupt nicht gekommen?


Durch die eigene Geburt ist eine Individualität entstanden, die ein eigenes Stück Welt ist. Davon bleiben Spuren übrig in der Welt. Aber der Kern dieses Individuums, verschwindet er vor sich selbst? oder in sich selbst?


Vielleicht fragen wir uns da mal, was Erlösung für uns wirklich sein könnte.


Die grosse Erlösung im Christentum ist jedenfalls anders als die asiatische. Im Christentum wird nicht ein friedvolles Auslöschen versprochen, sondern ein Fortleben in Begrenztheit, allerdings in Ewigkeit. Aber wie es in der Ewigkeit des Himmels Begrenztheit geben soll mit Unterscheidungen, also Dingen, die zu unterscheiden sind, verstehe ich nicht. Denn es würde bedeuten, dass nichts von Ewigkeit gilt, sondern eine ähnliche Bedingtheit wie hier und dass es in diesem Himmel eine Zeit und einen Ablauf gibt.


Was wir aber brauchen ist anders, nämlich Erlösung vom Hin und Her, ist die vollkommene Rückkehr in GANZHEIT, die nicht erneut in Dinge zersplittert ist und in Ansichten davon.













STILLSTEHEN INMITTEN DER STRUKTUREN



So könnte die grosse Erlösung in einem inneren Stillstehen bestehen. Was über der Welt steht, ist Schweigen.


Inzwischen allerdings erzählen wir uns gerne Märchen, schwingen uns zu Wissen und Glauben auf. Ich beispielsweise glaube, dass das gleichzeitige WESEN des Universums von selbst dazu gekommen ist, Augen zu haben, um in seine eigene Welt hinein zu sehen, oder Ohren zu haben, um in seine eigene Welt hinein zu hören.


Warum nur? Dieses Weltwesen da, hat es etwas davon? Will es das? Hat es einen Gewinn für sich?


Der Mensch meint oft, dass, wo etwas ist, es auch einem Zweck dienen muss. Man meinte stets, dass Gott sich etwas beweisen wollte in seiner Schöpfung. Oder statt es mit GLEICHZEITIGKEIT genügen zu lassen, meinen nun vielleicht einige, dass sie sich anhand der Welt selber als gleichzeitig erweisen müssen. Doch es gibt für die Welt keine Begründung. Und ihre Gleichzeitigkeit muss nicht bewiesen werden.


GEISTIGES STILLSTEHEN


Jedenfalls sind unsere Gedanken unruhig, unsere Fragen aussichtslos. Und mit dieser Fragerei bleiben wir in einer Dimension befangen, aus der wir noch so gern aussteigen würden, wenn wir wüssten, wie.


Stillstehen und solange wie möglich: Das ist dein Allerbestes,“ soll Meister Eckhart gesagt haben.


Nun, dabei geht es um eine Kunst, die oft erworben werden muss durch Meditation, Andacht, Yoga und dergleichen.


Dieses Stillstehen ist identisch mit Nichttun. Das Denken und Fühlen sollte ruhen. Man muss aber nicht am Boden liegen oder starr wie eine Statue sitzen. Stillstehen kann auch eine Form von Darüberstehen sein, in welchem man viele Dinge tun kann. In diesem Zustand bringen Schauspieler, Musiker oder Maler ihre besten Leistungen zustande.


Pflanzenpflege, Hundepflege, Menschenpflege, Putzen, Kochen und dergleichen Tätigkeiten können auch mit Stillstehen einher gehen.

Und in diesem Sinn funktioniere ich nicht, setze nichts mehr um. Es gibt kein „Ich mache“, „Ich erlebe“.


Und wenn Meister Eckhart sagte, dass ein solches Stillstehen für jeden Menschen das Beste ist, was er erreichen kann, dann meinte er wohl, dass man ans Ende der Auseinandersetzungen gelangen sollte. Was dann übrig bleibt, gleicht einer Heimkehr. Endlich zuhause, Türe zu.


LOSLASSEN


Ein anderes Wort für Stillstehen ist das Loslassen. Genau genommen geht es um das Losgelassenhaben, nicht das Loslassen. Denn Loslassen ist noch eine unvollendete Tätigkeit.


Innerlich unfriedliche Menschen fürchten sich vor dem Loslassen, denn sie meinen, dass das Loslassen ihnen alles wegnimmt wie der Tod. Und darum fangen sie mit diesem Loslassen gar nicht an, sondern setzen sich im Gegenteil für das Festhalten und die Vermehrung ein.


Das mit dem Tod ist schon schrecklich. Es gibt in diesem Zusammenhang die berühmte Geschichte mit Sir Gawain und dem Grünen Ritter. Der Grüne Ritter (er ist der Tod) fordert den tapfersten Ritter des Artus-Kreises zum Zweikampf auf. Sir Gawain ist der Mutigste und nimmt die Herausforderung an. Und doch macht er einen Vorbehalt und kämpft nicht ehrlich gegen den Grünen Ritter, er verschafft sich einen Gürtel, der ihn unverwundbar macht.


Ich finde, gegenüber GLEICHZEITIGKEIT braucht es einen solchen Vorbehalt nicht. Diese Art von Losgelassenhaben nimmt einem überhaupt nichts weg.


NICHTWAHRNEHMUNG


In welcher Sphäre muss ich sein, um zu erfassen, dass alles, was da ist, aus etwas GLEICHZEITIGEM hervorkommt? Ich muss in keiner anderen Sphäre sein als dieser hier, aber ich muss mittellos sein, d.h. unmittelbar. Dann lasse ich vom Widerspiegeln ab. Ich lasse vom Tun ab.


Man erreicht „Stillstehen inmitten der Strukturen“, also inmitten der bewegten Welt.


Dazu wiederhole ich die bekannte Hilfsformel: „Die Entstehung der Welt, ihre Entwicklung und ihr Ende finden gleichzeitig statt. Alles geschieht auf einmal.“


Doch es gibt noch viele andere Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit von den Dingen abzuziehen: formlose, zwecklose, wie es beispielsweise das Ausatmen sein kann.


LEERE


Buddhisten und Zenmeister sagen zuweilen, dass alle Formen dieser Welt nichts seien, nichts als Leerheit. Wie ist das zu verstehen? Ich denke, dass diese Lehren dazu verhelfen sollten, das Bewusstsein leer zu machen. Muss man aber dafür die Formen der Welt als leer erklären? Wird in diesen Lehren vielleicht übersehen, dass der Mensch die Formen liebt, sich daran hängt, und zwar unabhängig davon, ob man sie nun als eine Leerheit erklärt hat oder nicht?


Es geht eher darum, dass wir uns in ihnen widerspiegeln, wir haben eine Beziehung zu den Formen dieser Welt, weil wir uns durch sie identifizieren. Aber die Bedeutung, die wir dieser Beziehung beimessen, muss ja nicht masslos werden. Ein Mensch der sein inneres Stillstehen gefunden hat, wird sich von den Dingen und ihrer Aussenseite kaum fesseln lassen. Er liebt vielleicht das Gegenständliche, aber es ist nicht mehr das Einzige für ihn.


Aber dann lässt sich auch furchtlos sagen: Nein, die Dinge sind nicht leer. Sie sind nur das, was mir jetzt begegnet, sie sind das Allumfassende, welches mir in dieser Form begegnet.


Vielleicht ist die vermeintliche Leere nun einfach die Offenbarung des Leeren?


Im Stillstehen geht es vielleicht auch um das nicht! Sondern vielmehr geht es darum, die Qualität der eigenen Wachheit kennen zu lernen. Dafür müssen wir nicht gegen jede Beziehung ankämpfen, die wir zu weltlichen Dingen eingegangen sind.


Oder was für ein Ziel wäre erreicht, wenn wir nur noch ein unberührter Geist wären, am Ziel des Asketentums angekommen..?


SINN DER BESINNUNG


Plötzlich in einem Moment sind ganz weit auseinanderliegende hochkomplizierte Dinge wie das weite Universum, das Leben darin, das Geistige daran, das Ich, das „Wesen“ ein und dasselbe.


DIE ABSOLUTION


Ich vergebe dir deine Sünden“, heisst es bei einer Absolution.


Das ist bei GLEICHZEITIGKEIT ganz ähnlich. Nur ist es hier nicht Gott, der mir vergibt für meine Sünden, sondern ich bin es, der vergibt für die Situation, in der ich lebe.


Ich vergebe der Welt, dass sie mich so gemacht hat, wie ich bin, dass sie eine Zweiheit ist, welche mich zwingt, Wahrnehmungen zu machen, und ich vergebe ihr, wenn ich vor lauter Widerspiegelungen mich selbst zuweilen verliere.






















VOLLZUG DES NICHTORTS


Wenn ich es mir genau überlege, so ist GLEICHZEITIGKEIT nicht von

der Hoffnung auf Erlösung zu trennen.

 

Das Verstehen von GLEICHZEITIGKEIT kann zwar nicht unmittelbar erlösen und alles ungeschehen machen, die Einsicht in GLEICHZEITIGKEIT ist aber doch mehr als eine haltlose Fantasie. Ein Fenster ist aufgemacht, zwar sind wir noch im Zimmer, aber das macht ja nichts.


Und in diesem Zusammenhang ist das Zimmer, in dem wir uns befinden, ein ORT. Aber der Ausblick, den ich meine, ist kein Ort.



TRANSFORMATION VON GLEICHZEITIGKEIT IN ÖRTLICHES GESCHEHEN


Nun ist es ein reizvolles Thema, sich vorzustellen, wie sich GLEICHZEITIGKEIT in ein örtliches Geschehen transformiert. Sie transformiert uns so, dass wir quasi in einem Zimmer sind. Das ist die Bedeutung eines Lebens „an einem Ort“.


Das heisst: Genaugenommen spüren wir die GLEICHZEITIGKEIT nicht als solche, sondern wir spüren das örtliche Geschehen oder das lokale Erleben.


Wenn die GLEICHZEITIGKEIT sich für mich und alle demnach in ein lokales Geschehen verwandelt hat, suchen wir nun DEN AUSBLICK.


Es hat vielleicht mit Poesie zu tun oder mit Erhebung des Geistes. Wir suchen das ORTLOSE.


Und: Wir werden das Ortlose durch unser Sehen, Hören, Empfinden, und Wahrnehmen, suchen.


Klar werde ich durch mein körperliches Leben an diesen speziellen Ort gebunden, aber in dieser Gebundenheit ist schon jetzt auch dieses Ortlose in Aktion. Etwas lässt mich ja sehen, hören, empfinden.


Aber wenn ich mich, meine Seele, mein Empfinden, von den Äusserlichkeiten des Ortsgeschehens löse, werde ich selbst ortlos.


Ein „Vollzug des Nichtorts“, wie es im Titel steht, meint also eine Art Rückbesinnung auf den Sinn von Ort und Zeit. Und auf den Sinn des Lebens an einem Ort und zu einer Zeit.



DAS LEBEN AN EINEM ORT ALS VERWANDLUNGSZAUBER

In früheren Zeiten war es den Menschen viel bewusster, dass sich „Geist“ in alle möglichen Formen verwandeln kann. Man sprach von Metamorphosen des Geistes.


Heute denkt man eher, dass Realität feststehend ist, und zwar wie ein Hokuspokus oder eine plötzlich aufgezogene Kulisse für uns. Hintergründe dahinter hält man für Einbildung von Unreifen.


Aber dass sich die Welt formiert und verändert wegen etwas ganz Anderem, wegen einem Hintergrund (und zwar vor diesem Hintergrund und mit diesem Hintergrund), das ist nicht allgemein bekannt.


Man kann dieses Wirken und das Erscheinen der Dinge „immateriell“ nennen. Schöner ist es zu sagen: Es ist ein Zauber, nicht nur ein Verwandlungs-Zauber, sondern auch ein Offenbarungszauber. Denn ein Ding offenbart etwas.


Das ist der Zauber, der „Ort“ heisst und den Zauber des Lebens an einem Ort begründet.


Das alles hat noch einen anderen Aspekt.

Ein Ort ist auch ein Kreuzungspunkt, ein Knotenpunkt. Das ganze Weltall und ich kreuzen sich hier. Ich treffe auf diesen Kreuzungspunkt im Raum und auch in der Zeit. Und insofern ist der Ort meines Lebens ein Knotenpunkt.


Das Ich, das Weltich und das ganze gleichzeitige Umfeld machen einen Schnittpunkt.


DIE ILLUSION VON EINEM ORT


Nun gilt es noch zu überlegen, ob in der Verbundenheit mit einem Ort so etwas wie ein Fehler oder eine Sünde stecken könnte, oder mit anderen Worten, ob man sich von der Beziehung zu einem Ort lösen sollte.


Huangpo,(+850), sagte

Wenn du dir richtig oder falsch erdenkst oder auch nur einem einzigen Gedanken Raum gibst, dann entsteht die Idee eines Ortes; ohne einen einzigen Gedanken verschwinden jedoch Ideen von Ort und Geist.“ (Der Geist des Zen, S.69)


Demnach ist die Verbundenheit mit dem eigenen Ort leicht zu lösen.


Ich sagte weiter oben schon, dass im „Ort“ immer auch ein „Nichtort“ gegenwärtig ist. Und wenn wir uns gebunden fühlen an diesen Ort und diese Zeit, dann sind wir ein wenig verzaubert durch das Spiel, an dem wir teilnehmen.


Natürlich ist es ein seltsames Spiel, und wir können uns umgekehrt fragen:


Was an der Welt wäre real, wenn wir nicht von ihr vexiert wären?


Was könnte dieses Spukgeschehen sein, wenn wir es nicht ernst nähmen?























ZUM SCHLUSS




HINTER DEM SPIEGEL



Ich habe in diesem Buch versucht, die Gedanken bis an eine Schwelle hin zu führen, wo sie eigentlich fallen gelassen werden müssten.

Ein Überschreiten der Denksphäre ist zu Lebzeiten für Momente möglich.

Immerhin.

Aber solange wir leben, machen wir Wahrnehmungen und erschaffen so die Welt in ihrer Zweiheit. Wir erschaffen auch ihr Aussehen so, wie sie für uns gilt.

Gewisse Zenmeister sagen: Du musst hinter den Spiegel gehen.

Ja, bitte: gern. Aber da kommt niemand mit.


Ich schliesse nun mit einem rührenden Text. Er stammt aus einer unerwarteten Quelle, nämlich von einem Romantiker namens Gottfried Keller.


Ich habe den Text an einer Friedhofswand gefunden.


Die Zeit geht nicht

Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist die Karawanserei,
Wir sind die Pilger drin.

Ein Etwas, form- und farbenlos,
Das nur Gestalt gewinnt,
Wo ihr drin auf und nieder taucht,
Bis wieder ihr zerrinnt.

Es blitzt ein Tropfen Morgentau
Im Strahl des Sonnenlichts;
Ein Tag kann eine Perle sein
Und hundert Jahre nichts!

Es ist ein weisses Pergament
Die Zeit, und jeder schreibt
Mit seinem roten Blut darauf,
Bis ihn der Strom vertreibt.

An dich, du wunderbare Welt,
Du Schönheit ohne End,
Schreib ich 'nen kurzen Liebesbrief
Auf dieses Pergament.

Froh bin ich, dass ich aufgetaucht
In deinem runden Kranz;
Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht
Und lobe deinen Glanz.



Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 263-264.




































ANHANG:

ÜBER DIE ERWEITERUNG DES HORIZONTS DURCH LEKTÜRE



DIESER UND ANDERE TEXTE


Ich habe dieses Kapitel früher nach dem Kapitel über „Moral“ folgen lassen wollen und zwar deswegen, weil ich eine Fortbildung und Horizonterweiterung für eine wichtige moralische Tätigkeit halte.


Es gibt ja nichts Schlimmeres als Borniertheit und sture Verbohrtheit, welche ja fast immer mit Missachtung von Werten begleitet wird. Fortbildung kann helfen, Sektierertum und Rassismus zu verhindern, zu Vergleichen zu verhelfen und auch zu einer Sensibilisierung.


Ich kann in diesem Kapitel natürlich nicht querdurch alles behandeln, was zu einer Bildung gehören kann. Da ich in diesem Buch eine spezielle Thematik verfolge, konzentriere ich mich auf diese spezielle Gattung von Büchern. Auch dieser Kreis ist noch sehr gross, also erwähne nur ein paar Bücher, die in näherem Zusammenhang mit dem Thema GLEICHZEITIGKEIT VON ALLEM stehen.


Diese einschlägig ähnlichen Bücher sind sehr weitgehend im Bereich der alten Weisheitslehren zu finden. Es gibt da Bücher, die expliziert die Absicht verfolgen, „letzte Wahrheiten“ zu erfassen, und es gibt Bücher, die dasselbe auch tun, aber eher unabsichtlich und indirekt. Zum Kreis der Letzteren zähle ich die Poesie.


Früher hat man sich an biblischen Schriften orientiert, und die Leute meinten lange Zeit, dass sie diese Geschichten und Phantasien zu ihren eigenen machen müssten. Immerhin ging es in diesen Büchern um den Versuch, die Welt zu erklären. In der neueren Zeit muss man viel weiter ausholen, um sich die Welt zu erklären. In der Physik etwa arbeitet man schon lange an einem Weltbild, das viel phantastischer ist als es Schöpfungsmythen aus der Urzeit waren. Und die Menschheit hat reichhaltige Ergebnisse in den Künsten, der Psychologie, Biologie und Technik gewonnen.


All das, was neu ist, hat mit GLEICHZEITIGKEIT zu tun, und doch ist der Weg zur Erkenntnis der GLEICHZEITIGKEIT kein Weg des Wissens, sondern eher ein Weg ins Nichtdenken hinein. Und man nennt das „spirituell“. Und spirituelle Texte stehen mir entsprechend näher.


Ich liess mich mal von diesem, mal von jenem Text beeindrucken. Christliche Texte, Sufitexte, indianische Texte, indische Texte, psychologische und parapsychologische Texte, chinesische, japanische.


Wenn ich nun angesichts dieser teils grossartigen Texte hier über GLEICHZEITIGKEIT schreibe, kommt es mir so vor, als wäre es eine Zusammenfassung von allem. In sehr vielen Werken mit einschlägigem Inhalt kam nämlich immer wieder das eine und gleiche Rätsel vor, welches nie gelöst werden konnte. Alle haben es gekannt, geahnt und wurden davon berührt.


Wie ich weiter vorne erklärt habe, hat mir plötzlich ein Nichts oder eine Begriffslosigkeit eingeleuchtet und auch, dass dieses „Nichts“ eine GLEICHZEITIGKEIT IN ALLEM ist.


Ich finde diese Bezeichnung, die es in der einschlägigen Literatur SO NICHT gibt, sehr wertvoll. Alle anderen Ausdrücke lenken ab, sie sind schon irgendwie „besetzt“: „Gott“ lenkt ab, „Nirwana“ lenkt ab, „Dao“ lenkt ab. GLEICHZEITIGKEIT ist ein neutraler Überbegriff, der nichts aufhebt, nichts verwirft, und statt dessen das alte überlieferte Denken integriert.Nur GLEICHZEITIGKEIT kann umfassen, was etwa mit „Zen“ gemeint ist, oder mit „Gott“ oder mit „Religion“ (Religion ist ein Verhalten). GLEICHZEITIGKEIT kann auch Gestaltung, Veränderung, Kommen und Gehen umfassen.



GLEICHZEITIGKEIT im Kosmos umfasst auch ein Wirken im menschlichen Bewusstsein, also auch das hilflose Tasten des Menschen nach einem Sinn, welches Jahrtausende lang dazu führte, eine Vorstellung von GOTT hervorzubilden, umfasst aber auch andere menschliche Bestrebungen, wie die, die Natur genau anzuschauen.

Damit sind dann viele Vorstellungen und Begriffserklärungen gewonnen worden, sie gehören zu Kultur, sind aber „gedacht“ und „gemacht“.

Der wahre Sinn von GLEICHZEITIGKEIT ist ganz anders. Richtig ist: GLEICHZEITIGKEIT ist denkberaubend, entwaffnend, gegenwärtig, vergegenwärtigend.



EINE BRÜCKE ÜBER ALLES


Haben wir endlich eine Brücke die alles?

GLEICHZEITIGKEIT umfasst alles, Existenz so wie Denken, Bewusstes und Unbewusstes, die Natur, das Leben, die Tiere, Pflanzen, der Ursprung dieser Dinge. Und zugleich noch die Nichtigkeit von all dem, meinetwegen. Oder die Herrlichkeit.


ASIATISCHES


Falls mein Denken eine Verwandtschaft mit asiatischem Denken hat, so hat dies nicht damit zu tun, dass GLEICHZEITIGKEIT aus Asien kommt, sondern damit, dass in Asien religiöse und philosophische Systeme näher beim Monismus geblieben sind. Wie schon erwähnt, sind wir im Westen seit langem mit einer dualistischen Geisteshaltung beschäftigt, die nichts Ganzheitliches kennt.


(Nebenbei: Der Dualismus ist eine natürliche Anlage des Menschen, die darauf beruht, Sinnesorgane zu haben. Man darf so etwas nicht dem Moses ankreiden. Aber unnötig ist es, Tausende von Jahren auf dualistischen Vorstellungen herumzureiten und die Leute damit hysterisch zu machen.)


Von selbst fällt einem da auf, dass viele der asiatischen Lehren eine Lücke füllen, die bei uns offen bleibt. Die Texte zielen oft auf die Mitte, auf das Zentrale und können damit kosmische Zusammenhänge nennen. Diese alten Denker damals kannten die Wechselwirkung von Kräften und haben die Ursache davon auf etwas Immaterielles zurück geführt.


Sie fühlten sich also in einer Ganzheit drin, und ich vermute, dass das der Grund war, warum sie die Aussenwelt nicht als abgetrenntes Objekt analysierten, wie es in Europa geschehen ist. Sie entschieden sich damals nicht für Empirismus.


In asiatischen Texten lernen wir ausserdem die Bedeutung der Gedankenstille kennen oder die Macht der Meditation. Es wird kein Hehl daraus gemacht, dass es eine kosmische Identität für den Menschen gibt und der Mensch sich in diesem Sinn entwickeln kann und eigentlich auch müsste, um die ungeteilte Identität zurück zu gewinnen.


EINZELNE TEXTE ALS INSPIRATIONSQUELLEN


Zuerst wären die Predigten von Meister Eckhart zu erwähnen. Meine Übersetzung ist von Josef Quint. Dass ich mich nur selten auf Meister Eckhart beziehe, hat mehrere Gründe, nämlich dass er mir in seinem Denken zu nah war, womöglich auch noch viel besser, aber dann auch wieder fremder, weil er in einer anderen Zeit lebte und eine andere Ausdrucksweise hatte. Er lebte im 13. Jh..


Es ist ziemlich sicher, dass Eckhart in Paris mit der islamischen Mystik und Philosophie in Kontakt gekommen ist. Eckhart hat sich eine Zeit lang an der Sorbonne aufgehalten, eine der ersten Universitäten in Europa. In jener Zeit wurde gerade an einer Universität wie der Sorbonne das gesamte Wissen aufgenommen,

welches vorher in arabisch-islamischen Händen war. Averroes wurde als Universalgelehrter geschätzt. Vermutlich war auch Ibn Arabi bekannt.


Die arabische Kultur damals war sehr religiös besetzt. Jene Araber und Perser bezogen sich in ihrer Wissenssammlung sehr oft direkt auf Gott, sie wollten in der Regel Mystiker sein und wollten gern Interpreten von Bibel- und Koranstellen sein. Gottesliebe kam vor, aber auch spirituelle Spekulationen.


Wenn diese Männer eine Sure aus dem Koran hörten, weinten sie, schrieb Ibn Arabi.


Ich kann nicht viele Namen nennen ausser Husain ibn Mansur al-Halladsch, Dschelaluddin Rumi, weil meine Lektüre in diesem Bereich weiter zurück liegt, und ich über die vielen anderen Autoren kein Urteil bilden kann. Es geht jedenfalls um das, was man heute Sufismus nennt.


Die Sufis suchten eine innige Gottesbeziehung, versuchten die ganze Welt mit den verschiedenen „Namen“ Gottes zu erfassen, die Welt wurde also durch Eigenschaften Gottes erklärt. Sie waren und blieben Dualisten, aber durch den immer gleichen EINZIGEN Forschungsgegenstand (Gott) waren sie immer nah dran, die Zweiheit zwischen Gott und Mensch zu überwinden.


Im Buch „Urwolke und Welt“ (herausgegeben von Alma Giese) beschreibt Ibn Arabi Gott als eine Urwolke. Aus dieser Urwolke heraus entsteht alles in der Welt durch die Vorstellung, dass es ist.


So würde der Mensch in einer gleichzeitigen Gotteswolke drin leben. Das könnte eine ganzheitliche, monistische Auffassung sein. Und dann könnte der Mensch, wenn er stirbt, wieder an seinen Ausgangspunkt, in die Urwolke, zurück, würde man meinen. Aber nein, Ibn Arabi war zwar Mystiker, aber er war auch Dualist. Immer bei dualistischen Gottesvorstellungen kommt der Teufel ins Spiel, die Spaltung, das Hin und Her, mit Gericht, Hölle, das volle Theater mit Gott in einem Rollenspiel und als Hauptdarsteller. Nie kommt es dieser Art von Mystikern in den Sinn, dass diese Spaltung aufhören müsste und die einzig befriedigende Transformation sein würde, zusammen mit Gott zu nichts zu werden.


Ich nehme an, Eckhart hat später versucht, das mystische und philosophische Wissen, das ihm begegnet war, mit der christlichen Theologie in Einklang zu bringen. Dieser Versuch hat ihn fast das Leben gekostet. Sie machten ihm einen Prozess. Ein Papst hat die Abweichungen von der richtigen Lehre in einer Bulle festgehalten.


Das Christentum konnte Gott niemals als einen überpersönlichen Weltgeist annehmen, zu dem jeder Mensch direkt in Beziehung treten kann. Denn Christentum beruht auf einem christlichen Text, dessen Regelungen und Deutungen man beachten muss. Einen abweichenden Weg kann es nicht geben. Und auf keinen Fall durfte man Jesus Christus übergehen. Sogar heute noch glauben viele Leute, dass man nur über ihn zu Gott (und zur Erlösung) gelangen kann, denn nur er ist Heiland und Erlöser.


Es gab eine eigentliche geistige Strangulierung durch die Kirche, bis durch die Reformation vermehrt das Textstudium der Bibel ins Zentrum gelangte. Das brachte eine gewisse Demokratisierung und Selbstverantwortung mit sich, da nun jeder selber nachlesen konnte, was das „Wort Gottes“ ist. Doch das Gottesbild blieb immer noch christlich.


Das christliche Gottesbild ist sicherlich ein sehr wichtiges Phänomen in der menschlichen Geistesgeschichte gewesen, das viele Auswirkungen hatte. Die Bibel ist immer noch ein bedeutendes Werk, das man kennen sollte, wenigstens die ersten 3 Evangelien sollte man gelesen haben.


Wer die Gottesbeziehung eher in poetischer Form finden will, möge zu den Psalmen greifen oder zu den Liebesgedichten der Sufis.


Was dann später in unserer „Aufklärung“ geschaffen wurde, möchte ich nicht missen. Es wurde da eine neue Methode des Denkens entwickelt, bei der Seelentiefe, Gefühlswallungen und Glaubensphantasien bewusst ausser Acht gelassen werden sollten. Ich betrachte die Aufklärung vor allem als eine politisch notwendige Entwicklung. Es ging um Befreiung und auch darum, dass man für das eigene Denken selber verantwortlich ist.


Nun hat uns die Aufklärung leider ein verzerrtes Menschenbild hinterlassen: das von einem Macher, anstelle von einem Gemachten. Es begann die Weltherrschaft des Denkens ohne Seelentiefe, Gefühlswallungen und Glaubensphantasien.


Und jetzt haben wir das Problem, dass wir nicht mehr wissen, wie wir unsere seelischen Fähigkeiten pflegen und entwickeln sollen. Man versteht viel von Mechanismus, aber fast nichts von ganzheitlichem Sinn.



NOCH WEITER NACH OSTEN


Jetzt geht die literarische Reise weiter nach Osten. Da bin ich von Texten beeindruckt, die mit diesem Buch hier etwas leichter in Einklang zu bringen sind als Sufi-Texte und die Bibel. Teils habe ich schon Hinweise gegeben.

Ein Dauerbrenner ist Dschuangtse. Aber zu Tränen gerührt hat er mich nicht bis jetzt.


Da gibt es den Band „Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“, übersetzt von Richard Wilhelm. Neuer ist dasselbe Buch erschienen unter dem Namen Zhuangzi „Das Buch der Spontaneität“, übersetzt von Stephan Schuhmacher.


Ferner kenne ich Liä Dsi „Das wahre Buch vom quellenden Urgrund“, übersetzt ebenfalls von Richard Wilhelm. In diesen Bänden wird daoistisches und konfuzianisches Denken dargestellt, zum Teil in unterhaltender Form.


Diese Bücher entstanden vor unserer Zeitrechnung. So wie ich lese, war da nicht ein einziger Autor tätig, sondern eine ganze Reihe. Diese Leute dachten nicht dualistisch, wohl aber dialektisch. Und wohl deswegen hatten sie Humor, was in der Weltliteratur selten ist.


Was für uns Dogmatiker erstaunlich ist, ist die Ergebnisoffenheit, d.h. die Offenheit für eine Interpretation ihrer Darstellungen. Bei Leuten wie Platon und Aristoteles scheint mir immer, dass sie einem eine auf den Deckel hauen, bei alten Chinesen ist es eher so, dass sie ein Fenster aufmachen.


Noch näher standen mir bis vor kurzem andere Texte aus China, nämlich Zentexte, so etwa von SengTs'an, Huineng, Huangpo, Linji. Sie sind nicht ganz so alt, aber immerhin auch mehr als tausend Jahre alt. Diese Texte sind in der Mehrzahl durch Ursula Jarand auf Deutsch übersetzt worden.


Diese Zenmeister pflegten eine Denkweise, welche sie auf einen gewissen „Bodhidharma“ zurück führten. Er scheint eine mythische Figur zu sein. Oder wenn nicht, dann war er ein Wanderprediger, der aus Indien kam. Er gründete so ca. um 525 herum die Zenlehre (Zen hier im engeren Sinn als besondere Meditationsform), die sich dann in China und später in Japan ausbreitete.


Die Zenklöster von damals scheinen gross gewesen zu sein. Rein historisch erstaunt mich, dass damals hunderte und tausende von Mönchen nichts anderes taten, als Erleuchtung zu suchen. (Sie mussten zwar auch Gemüse anpflanzen und Reis entkernen und putzen.) Vielleicht ist es einfach Mode gewesen, damals. Oder da waren vielleicht im Elternhaus schon zu viele Geschwister, und das elterliche Stück Land hätte sie nicht ernähren können.


Auch in Europa gab es zur gleichen Zeit das Mönchstum. Auch das ist eine Geschichte für sich. Hatte das Mönchstum in Europa wirklich nur religiöse Hintergründe? Zweifellos ist das Klosterleben auch aus anderen Gründen attraktiv gewesen, denn es war eine Alternative zu Heimatlosigkeit und Arbeitslosigkeit. Man konnte sich mit feineren Dingen beschäftigen wie Lesen und Schreiben, und auch Schnapsbrennen war ja eine Form von Vergeistigung. Man musste nicht täglich um Besitz kämpfen und musste wohl auch nicht Soldat sein, usw.




ADVAITA


Dieses Stichwort ist indisch und ist ein Begriff in den Veden und kommt vor im „Vedanta“, also zu einer späteren Form dieser Textsammlung.


Ich habe den Ausdruck „Advaita“ schon mehrfach erwähnt. Ich bin nicht sicher, ob ich es damit nicht übertreibe, weil es mir als Nachweis nützt.


Wenn ich die Sache richtig einschätze, verbirgt sich hinter Advaita aber eine Entdeckung, die man als einen grossen Schritt in der geistigen Entwicklung der Menschheit einschätzen muss. Es ist ein bisschen schade, dass man die ganze Zeit nur von der Relativitätstheorie oder der Quantenmechanik hört. Das ist, wenn man es genau ansieht, gar nicht so interessant. Advaita hingegen schon, denn damit ist ALLES gemeint.

Die einschlägigen Texte, die das erwähnen, heissen Upanischaden. Die Texte stammen aus einer Zeit von Nomaden und Rinderzüchtern teils weit vor unserer Zeitrechnung, daher wird man die eine oder andere Passage nicht mehr verstehen, muss man auch nicht. Es kommen viele altertümliche Ansichten vor, über die man hinweg lesen muss. Vielleicht greift man zunächst zu einer präparierten Ausgabe der Upanischaden. Schon der Reclamband reicht fürs erste.


Ein guter Interpret war Henri Le Saux: „Die Spiritualität der Upanischaden“.


In den Upanischaden wird der Mensch einerseits als Produkt des Kosmos gesehen, aber ohne Trennung vom Kosmos. So etwa werden die menschliche Fähigkeiten wie Sprechen, Sehen, Atmen als kosmische Eigenschaften gesehen.


Andererseits gibt es an wenigen Stellen eine bemerkenswerte Umkehr dieser Betrachtungsweise: Im Chandogya-Upanischad, wo Svetaketu durch seinen Vater Belehrungen erhält, wird anhand der Eigenschaften, die der Mensch und seine Umgebung haben, auf den Wesenskern von der ganzen Welt zurückgeschlossen.


Aus der Vielfalt wird auf das Einzige geschlossen. Ich finde diese Umkehr der Betrachtung bemerkenswert, weil es nicht von einem fernen Gott berichtet, sondern das Gegenwärtige heiligt. „Tat twam asi“. Das bist du, Svetaketu, heisst es da. Dieser Ausspruch ist sehr bekannt. In einer neueren Übersetzung wird „tat twam asi“ zu:

So geartet bist Du, Svetaketu!“ (Walter Slaje).


Für meine Begriffe sprengt das die faden Wallungen von Pantheismus und Theosophie. Es wird ganz einfach die GLEICHZEITIGKEIT der Vielfalt entdeckt. Und damit ging der Horizont jener Brahmanen weit über die Vorstellungen hinaus, die es im (noch älteren) Alten Testament gab.

Und man kann sich auch vorstellen, dass gewisse Gedanken aus Indien dann in den Vorderen Orient gelangt sind und im Neuen Testament eine Rolle gespielt haben. Beweisen kann ich das nicht. Aber das Christentum sollte ja eine Reformbewegung sein. Daher mussten neue Gedanken aufgekommen sein. Und mir fällt auf, dass Jesus Christus ein Avatar war (die Herabkunft Gottes). So etwas hat man in Indien schon lange vorher gekannt, am bekanntesten bei uns ist Krischna.


Die Grundgedanken des Vedanta wurden in moderner und konzentrierter Form durch Ramana Maharschi vom Berg Arunachala wieder aufgenommen. Zu ihm pilgerten damals viele „Westler“. Da Ramana 1950 gestorben ist, hat man nur noch den Berg, wo er lebte, übrig und man hat nun diesen zu einem besonderen Heiligtum gemacht. Man kann rund herum laufen, habe ich gehört. Man kann sich beim Rundlauf vielleicht daran erinnern, was Ramana gelehrt hat: nämlich, dass das Herz (synonym für das Selbst) ohne ein Zweites ist. „Es gibt nichts Anderes“, sagte er.


ZITATE


Ich hätte in diesem Buch viel mehr Zitate machen können, ja, hätte Zitate aneinander reihen können. Es wäre ein Wälzer geworden. Denn die Zitate hätten einzeln kommentiert werden müssen, um sie ins richtige Licht zu rücken.


Es ist ein wenig schade, dass ich die Tausenden von Seiten, die hier in der Bibliothek stehen, nicht durchackere, um passende Zitate daraus heraus zu holen.


Jetzt, da wir GLEICHZEITIGKEIT verstanden haben, wäre so eine Sammlung ohne weitere Kommentare zu machen. Ich würde auch Gedichte vieler Leute aus dem Altertum bis heute wiedergeben.

Und mit Sicherheit einige Gedichte meiner geliebten Emily Dickinson, die 1886 gestorben ist.


Aber ich entlasse das vorliegende Buch mal so, wie es ist, und möchte nur empfehlen, dass jemand sich aufrafft und folgendes Buch schreibt:


Die Entdeckung der GLEICHZEITIGKEIT in der Kulturgeschichte der Menschheit von den Anfängen bis heute“.








































Im Verlag tredition sind in der Reihe „Studien über Gleichzeitigkeit“ vom gleichen Autor

bereits erschienen:


-- Gleichzeitigkeit, immer. 2016

Meditationen über die Welt


-- Ohne Gegenüber in der Gleichzeitigkeit.

Menschliche Wahrnehmung und Wirklichkeit, 2018


-- der vorliegende Band erschien 2021



Weitere Bände sind geplant.

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